Das Wissen einer Dentalhygienikerin versus Prophylaxeassistentin
Die Verschiedenheit der zwei Berufe liegt in der Ausbildung und den daraus entstehenden Kompetenzen. DH Sarah Frey, selbständige DH in Beromünster und Präsidentin der Kommission für Selbstständige (KfS) von Swiss Dental Hygienists gibt einen Überblick.
Die Ausbildung zur diplomierten Dentalhygienikerin HF ist sehr anspruchsvoll. Der Rahmenlehrplan der Ausbildung zur DH wird durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) überwacht. Es gibt ungefähr 100 Ausbildungsplätze pro Jahr, verteilt auf vier Ausbildungsorte in Zürich, Bern und Genf. Leider schaffen aber nicht alle den Abschluss oder sie entscheiden sich im Laufe der Zeit für eine andere Ausbildung. Fakt ist, dass zu wenige DHs ausgebildet werden. Mittlerweile gibt es auch ein paar Dentalhygieniker, aber mehrheitlich handelt es sich nach wie vor um einen typischen Frauenberuf. Viele Frauen bleiben jedoch nicht ihr Leben lang berufstätig oder reduzieren ihre Arbeitszeit zugunsten ihrer Familie.
Es gibt zu wenig Fachkräfte
Schweizweit gibt es laut dem Nareg rund 3 000 diplomierte Dentalhygienikerinnen HF. Es ist allerdings nicht bekannt, wie viele davon tatsächlich noch berufstätig sind. Etwa 150 sind selbstständig, also in eigener Praxis tätig. Zahnarztpraxen gibt es viel mehr. Dieses Missverhältnis zeigt auf, dass es viel zu wenige Dentalhygienikerinnen gibt. Die Nachfrage ist jedoch gross und steigt stetig.
Um diese Problematik zu umgehen, wird durch die Zahnarztgesellschaft SSO eine Weiterbildung zur ProphylaxeassistentIn angeboten. Zugangsvoraussetzung dafür ist eine Ausbildung zur Dentalassistentin. Eine Prophylaxeassistentin (PA) ist also eine ausgebildete Dentalassistentin, die eine Weiterbildung von 20 Tagen Theorie sowie ein halbjähriges Praktikum absolviert hat, währenddessen sie 150 Patientenbehandlungen durchführen muss. Die DH dagegen durchläuft ein dreijähriges Vollzeitstudium mit diplomiertem Abschluss an einer höheren Fachschule.
Die PA wird damit befähigt, nur oberhalb des Zahnfleischs Zahnstein zu entfernen, Schmelzpolituren durchzuführen und den Patienten mit den geeigneten Hilfsmitteln zu einer guten Mundgesundheit zu verhelfen. Sie ist dafür ausgebildet, Patienten zu betreuen, die keine Probleme am Zahnhalteapparat haben und keiner Risikogruppe angehören.
In dieser kurzen Zeit können Prophylaxeassistentinnen nur einen Bruchteil des Wissens erwerben.Der Beruf der DH ist gesetzlich geregelt. Das Weiterbildungsreglement für die PA ist von der SSO erstellt und Zahnärzte legen fest, welche Kompetenzen die PA hat. Die PA arbeitet unter der Verantwortung und direkter Aufsicht des Zahnarztes, währenddessen die DH in ihrer eigenen fachlichen Verantwortung arbeiten darf.
Wer übernimmt die Verantwortung?
Eine dipl. Dentalhygienikerin HF übt ihren Beruf im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften aus. Sie trägt Verantwortung für ihre Handlungen. Sie übernimmt selbstständig die Organisation, Planung und Durchführung der dentalhygienischen Therapie und der systematischen Nachbetreuung. Die Prophylaxeassistentin hingegen führt ihre Tätigkeiten ausschliesslich unter der Leitung, der Verantwortung und in Anwesenheit der Zahnärztin oder des Zahnarztes aus. Sie betreut ausschliesslich zahnärztlich vortriagierte Patienten. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Kariesprophylaxe und die Prophylaxe und Therapie der Gingivitis und der Mukositis sowie Hilfsmassnahmen im Bereich des Bleachings nach Anweisungen des Zahnarztes oder der Zahnärztin.
Zu wenig DHs
In der heutigen Praxis sieht es jedoch oft so aus, dass die PA als DH eingesetzt wird, da es an ausgebildeten Dentalhygienikerinnen mangelt. Dies hat zur Folge, dass sie oft ihre erworbenen Kompetenzen überschreiten.
Wie wird man Dentalhygienikerin?
Die Dentalhygienebehandlung ist keine rein kosmetische Behandlung. Eine Dentalhygienikerin macht eine medizinisch-therapeutische Behandlung, welche essentiell für eine gute Mundgesundheit ist. Die Ausbildung der diplomierten Dentalhygienikerin HF positioniert sich auf der Stufe der Höheren Fachschule und dauert drei Jahre Vollzeit. Sie beinhaltet 5 400 Lernstunden in Theorie und Praxis inklusive eines einjährigen Praktikums. In der Ausbildung wird ein umfassendes Wissen in anspruchsvollen medizinischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen sowie eine hohe soziale Kompetenz erworben. Die Ausbildung erlaubt es der Dentalhygienikerin eigenständig ohne Anwesenheit des Zahnarztes zu arbeiten. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Karies-, Parodontitis- und Periimplantitisprophylaxe, die Gesundheitsförderung, die nicht- chirurgische und erhaltende Parodontaltherapie, weitere Therapien in den Bereichen Zahnhartsubstanzschädigungen und Schleimhautveränderungen.
Ausserdem hat die DH ein fundiertes Wissen in Allgemeinmedizin. Eine DH weiss, welche Veränderungen durch sie selbst behoben werden können und wann der Patient einen Zahnarzt oder einen anderen Spezialisten braucht. Die DH erfasst alle Befunde und führt die nötigen Therapieschritte durch. Sie bespricht mit ihren Patienten, wo welche Probleme vorhanden sind und erstellt eigenständig einen individuellen Behandlungsplan.
Die DH empfiehlt die richtigen Produkte für eine optimale Mundhygiene oder andere Hilfsmittel. Sie entscheidet aufgrund der Befunde, in welchem Abstand eine DH-Behandlung nötig und sinnvoll ist, damit keine Schäden an Zähnen und Parodont entstehen.
Die Weiterbildung zur Prophylaxeassistentin
Die Prophylaxeassistentin hat eine viel kürzere Ausbildung von 20 Tagen. Sie erhält ihr Fähigkeitsausweis von der Zahnärztegesellschaft SSO. Die PA ist dazu weitergebildet, vor allem Kinder und Jugendliche oder Patienten ohne Karies oder parodontale Probleme zu behandeln. Insbesondere übt die PA ihre Tätigkeiten unter Leitung, Verantwortung und in Anwesenheit von Zahnarzt oder Zahnärztin aus. Wie bereits erwähnt betreut die PA ausschliesslich zahnärztlich vortriagierte Patienten. Neben der Kariesprophylaxe gehören Prophylaxe und Therapie von Gingivitis und Mukositis zu ihrem Aufgabengebiet sowie Hilfsmassnahmen im Bereich des Bleachings – jeweils nach Anweisung von Zahnarzt oder Zahnärztin.
Das Risiko
Wenn eine Prophylaxeassistentin vom Zahnarzt als Ersatz der Dentalhygienikerin eingesetzt wird, kann auch mal was schief laufen. Die PA ist nicht ausgebildet, um fortgeschrittene krankhafte Veränderungen zu erkennen. So kann es leider passieren, dass Parodontitis oder Karies unbemerkt fortschreiten können. Dies wird früher oder später zum Zahnverlust führen, oder sicher aufwendige und teure Zahnarzt-Behandlungen zur Folge haben.
Je früher die Parodontitis oder Karies erkannt wird, desto besser ist die Langzeitprognose für die betroffenen Zähne. Da eine Parodontitis lange ohne Schmerzen fortschreitet, bleibt die weitverbreitete Krankheit für den Patienten unbemerkt.
Krankhafte Veränderungen
Die Dentalhygienikerin erfasst hingegen schon die Risikofaktoren, welche für eine Parodontitis-Entstehung notwendig sind und informiert ihre Patienten über diese Risikofaktoren, bevor überhaupt krankhafte Veränderungen des Parodonts vorhanden sind.
Dementsprechend legt die DH die Recall-Intervalle im richtigen Abstand fest, so dass das Risiko eines Knochenverlustes auf ein Minimum reduziert werden kann. Die Dentalhygienikerin ist ausgebildet, selbst nicht sichtbaren Zahnstein unterhalb des Zahnfleisches, welcher zu irreversiblem Knochenverlust führt, zu erkennen und zu entfernen.
Die Allgemeingesundheit
Die Früherkennung der Parodontitis ist enorm wichtig, denn sie steht in engem Zusammenhang mit der Allgemeinen Gesundheit. Wer an Parodontitis erkrankt ist, hat ein höheres Risiko an einer Allgemeinerkrankung, wie z. B. Herzinfarkt, Herzmuskelentzündung oder Schlaganfall zu erkranken. Auch Früh- oder Fehlgeburten können im Zusammenhang mit schlechter Mundgesundheit stehen. Ebenso kann eine nicht behandelte Parodontitis die Behandlung einer Allgemeinerkrankung negativ beeinflussen. Deshalb wird die Nachfrage nach Dentalhygienikerinnen HF immer grösser.
Namensregister
Ob eine Dentalhygienikerin auch wirklich eine Dentalhygienikerin ist, kann im Nationalen Register für Gesundheitsberufe unter www.nareg.ch überprüft werden. Jede diplomierte Dentalhygienikerin HF ist dort mit Namen registriert.
Ausblick
Aufgrund von zu wenigen DHs braucht es sicher auch PAs. Es muss jedoch in der Praxis gewährleistet sein, dass entweder die DH oder der Zahnarzt die parodontale Triage beim Patienten vornimmt und so definiert, ob es ein Patient für die PA ist oder eben für die DH. Bei einem guten Konzept sollte der Patient bei jedem zweiten oder dritten Termin zur DH, damit sie die Sondierungstiefen vollumfänglich aufnehmen kann. Auch wenn die PA neuerdings die Sondierungstiefen messen darf, ist sie bei einer Tiefe von >3 mm verpflichtet die DH oder den Zahnarzt dazu zu holen.
Kontakt:
Sarah Frey
DHSF – Praxis für Dentalhygiene
Luzernerstr. 12, 6215 Beromünster
www.dhsf.ch
info@dhsf.ch