23. Mai 2022Die Fortbildung zum Eidgenössischen Fachzahnarzt SSO

Die Ausbildung ist hart – aber eine Investition in die Zukunft!

Jährlich absolvieren ca. 40 Studierende das Zahnmedizin-Studium am Zentrum für Zahnmedizin Zürich ZZM. Etwa ein Drittel davon kommt nach einigen Jahren wieder zurück an die Plattenstrasse. Grund dafür: Um sich (noch) mehr Wissen anzueignen! Eine geballte Ladung davon gibt es bei der Fortbildung zum Eidgenössischen Fachzahnarzt SSO. Man kann diesen auf verschiedenen Fachgebieten absolvieren.

Marion Gredig

Zu Besuch beim Seminarnachmittag

Ich treffe mich an diesem sonnigen Montagmittag auf der Abteilung für Rekonstruktive Zahnmedizin (RZM) der Uni Zürich mit PD Dr. Nadja Nänni, der Leiterin des Fortbildungsprogramms zum Fachzahnarzt für Rekonstruktive Zahnmedizin. Beim heutigen Seminarnachmittag mit den angehenden Fachzahnärzten werde ich sie begleiten. Auf dem Programm steht «Zürich lädt ein», aber dazu später.

Die Rückkehrer

Nänni hat selbst in Zürich studiert und ist seit 10 Jahren wieder hier an der RZM. Wieder, weil sie dazwischen während sechs Jahren in einer Privatpraxis tätig war. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung zur Fachzahnärztin, wie sie mir gleich zu Beginn auf dem Weg zum Hörsaal erklärt:
«Die Zahnärzte, welche wir heute im Seminar treffen werden, haben alle mindestens drei Jahre in einer privaten Praxis gearbeitet. Diese Erfahrung ist eine Aufnahmebedingung für das Weiterbildungsprogramm unserer Klinik. Wir erachten es als sehr wichtig, dass man im Praxisalltag die Basis der zahnärztlichen Tätigkeit erlernt hat. Füllungstherapie, Wurzelbehandlungen, Extraktionen und Notfallbehandlungen sind der Grundstein, auf welchem wir aufbauen.»
Unterdessen sind wir im Hörsaal angekommen. Dr. Nicolas Müller gesellt sich zu uns, er ist im ersten Ausbildungsjahr als Postgraduate (PG)-Assistent und ich frage ihn, weshalb er sich für diese Weiterbildung entschieden hat.

Unterschiedliche Beweggründe

«Nach dem Studium war ich fünf Jahre in einer Privatpraxis tätig. Mein Chef dort war auch Fachzahnarzt für Rekonstruktive Zahnmedizin und so bekam ich das praktisch vorgelebt.»
Was erwünscht er sich denn von dieser Fortbildung? «Ich möchte einen zusätzlichen Background an theoretischem und praktischem Wissen erlangen, um mehr Sicherheit im Berufsalltag zu haben. Gleichzeitig finde ich aber auch das berufliche und soziale Netzwerk wichtig, welches ich hier aufbauen kann», sagt Müller und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: «Aber es ist also schon streng!» lacht und seufzt er gleichzeitig.

Anspruchsvolles Studium

Dem kann seine Kollegin Dr. Marina Siegenthaler absolut zustimmen. Sie ist im dritten und somit letzten Ausbildungsjahr zur Fachzahnärztin für Rekonstruktive Zahnmedizin: «Es ist eine sehr intensive Zeit. Das Gute rückt manchmal bei all den administrativen Abläufen, die eingehalten werden müssen, und die man in der Freizeit erledigen muss, massiv in den Hintergrund. Jetzt am Ende dieser drei Jahre kann ich aber sagen, ich würde es wieder machen.»

Marion Gredig im Gespräch mit Dr. Siegenthaler und Nicolas Müller.

Strukturierte Wissens­beschaffung

Siegenthaler hatte in Bern studiert und war danach in einer ländlichen Praxis tätig, wo sie merkte, dass jeder Fall, jeder Patient anders ist und dass vieles häufig ad-hoc gelöst wurde. »Natürlich gibt es viele einzelne Tages- oder Wochenend-Fortbildungen für Zahnärzte. Ich wollte aber ein strukturiertes Programm durchlaufen. Die Fachzahnarztausbildung ist anspruchsvoll. Eine 150 % Stelle» sagt die 31-Jährige und Leiterin Nänni nickt und konstatiert.
«Das ist wirklich so, ja. Die Ausbildung ist eine Investition, eine Verpflichtung. Und auch wenn sie knallhart ist, am Schluss sagen die meisten, dass die Zeit wie im Fluge vergangen sei. Aber ja, diese Ausbildung ist definitiv eine Vollzeitstelle mit einem 150 % Pensum.»
Viele Fachhochschulen setzen auf Modulare Fortbildungen. Käme so etwas vielleicht auch an der Uni in Frage? Gibt es in Zukunft die Möglichkeit, dass der Fachzahnarzt in einem Teilzeit-Pensum erlangt werden könnte, nimmt mich Wunder.

Vollzeit oder vielleicht auch zukünftig Teilzeit?

«Wir sind natürlich sehr bestrebt, modern zu sein und unterdessen sind tatsächlich Abklärungen im Gange, ob wir zukünftig diese Fortbildung auch in einem Teilzeit-Modell anbieten können. Gerade auch um Zahnärztinnen und Zahnärzten, die keine Vollzeitstelle annehmen möchten oder können, diese Ausbildung zu ermöglichen. Dann wird die Ausbildung zur Fachzahnärztin bzw. zum Fachzahnarzt vielleicht ein Jahr länger dauern. Ein solches Modell sind wir momentan am Evaluieren.»
Der Hörsaal an der Plattenstrasse füllt sich unterdessen immer mehr. Auf dem Programm ist eine Literatur-Diskussion. Eine Art Literatur-Club. Und da das Motto wie eingangs erwähnt «Zürich lädt ein» lautet, ist heute eine Baslerin hier an der RZM am Rednerpult. Dr. med. dent. Julia Amato vom Universitären Zentrum Basel UZB.

Die Baslerin in Zürich

Amato hat sich sehr über die Einladung aus Zürich gefreut: «Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich hier in diesem erlesenen Kreis der Prothetiker ein Gastreferat halten und den Literaturclub leiten darf. Ich selbst arbeite auf der Abteilung Zahnerhaltung und Direkte Restaurationen. Es war für mich klar, dass ich für diesen Seminarnachmittag zusage», sagt sie mir im Gespräch.
Während des Literaturclubs werden nun Studien besprochen und analysiert. Aber auch Fragen gestellt und praktische Tipps von der Gastreferentin abgegeben. Ich möchte von Julia Amato wissen, wie ihr denn der Nachmittag an der Uni Zürich gefällt: «Super gut. Es war eine sehr aufmerksame Truppe! Wir hatten ein kleines Kommunikationsmissverständnis, deswegen haben die Teilnehmer meine Literaturliste erst gestern Abend erhalten. Deshalb staune ich umso mehr, wie aufmerksam und gut vorbereitet alle sind. Es kamen sehr gute und differenzierte Fragen und Antworten. Es macht richtig Spass!»

Literaturclub, Fall­diskussion und Vortrag

Die montäglichen Seminarnachmittage bezeichnen die Fachzahnärzte als Highlight. Im Anschluss an den Literaturclub werden jeweils 1-2 klinische Fälle von einem Assistenten vorgestellt. Anschliessend findet eine rege Diskussion statt und unterschiedliche Lösungsansätze bzw. -vorschläge werden im Plenum mit den Oberärzten diskutiert. Heute hält Amato anschliessend an die Fallvorstellung einen Vortrag über Direkte Komposit-Aufbauten im Vergleich zu Keramischen Rekonstruktionen. Die Baslerin freut sich über das viele positive Feedback und hat auch selbst von den Fragen der angehenden Fachzahnärzten spannende Inputs erhalten, die sie von der Limmatstadt mit heim an die Uni am Rhein nimmt.

Woraus besteht das Studium?

13 Fachzahnärzte/Fachzahnärztinnen werden im aktuellen Lehrgang ausgebildet. Was lernen diese denn hier an der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin? frage ich Fortbildungsleiterin Nänni.
«Bei uns dürfen sie alles machen. Und sie müssen auch alles machen. Das heisst natürlich primär Patientenbehandlung. Aber auch die Lehre und Forschung gehören zum Curriculum. Unser neuer Klinikdirektor Professor Ronald Jung sagt jeweils: es ist wie in einem 5-Sterne-Hotel, aber ohne Bedienung. Man kann sich alles an Wissen holen, was man möchte. Die Weiterbildung ist natürlich strukturiert, aber jeder entscheidet individuell, wovon er profitieren und was sie lernen möchte. Man kann bei jedem chirurgischen Eingriff der Oberärzte dabei sein, man kann jede Frage stellen. Aber man muss selbst die Initiative ergreifen. Im Büro sitzen und warten bis das Wissen zu einem kommt funktioniert nicht.»

Lohn statt Studiengebühren

Fortbildungen sind in der Regel sehr teuer. Ein Studium an der Fachhochschule kostet schnell mal Fr. 30 000. Ein rechter Batzen. Wie sieht das hier an der Uni aus?
«Wir haben hier an den Schweizer Unis eine spezielle und sehr exotische Situation. Die Auszubildenden müssen nicht, wie das sonst üblich ist, nach einem Berufsabschluss für den Fortbildungs-Lehrgang bezahlen. Im Gegenteil, bei uns erhalten sie sogar einen Lohn. Das ist eine sehr privilegierte Situation, in der wir uns befinden.»

Prüfungswissen

Diesen Herbst werden vier Zahnärzte ihre Weiterbildung abgeschlossen haben und die Uni Zürich verlassen. Eine davon ist Marina Siegenthaler. Sie alle werden einen Doppel-Abschluss machen und nach erfolgreicher Prüfung sowohl den Fachzahnarzt in Rekonstruktiver Zahnmedizin SSRD als auch den Master of advanced Studies der Universität Zürich in Oraler Implantologie in der Tasche haben. Für beide Prüfungen braucht es ähnliche Voraussetzungen, erklärt Siegenthaler: «Das Lernen auf die Prüfungen ist nicht so aufwändig, denn das Wissen hat man sich ja in den drei Jahren angeeignet und intus. Happig hingegen ist es, die verlangten klinischen Fälle korrekt dokumentiert zu haben und sie den Vorgaben entsprechend einzureichen.»

CV, Teamgeist und vielleicht auch Timing

Die nächsten Fachzahnarzt-Stellen werden ab Herbst 2023 frei. Für diese kann man sich jetzt schon bewerben. Nicolas Müller kann sich noch gut an seinen Bewerbungsprozess erinnern: «Das war nicht ganz einfach. Ich habe meine Doktorarbeit hier auf der Abteilung gemacht. Während des Lockdowns habe ich dann den Entschluss gefasst, mich zu bewerben. Dann wurde ich eingeladen für ein Bewerbungsgespräch und zwei Schnuppertage. Ich hatte ein paar Kollegen, die sich auch mitbeworben hatten, aber diese haben es leider nicht geschafft. Was genau die Entscheidung zu meinen Gunsten beeinflusst hat, weiss ich nicht. Aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass nicht nur der CV, sondern auch das Timing und der Teamgeist eine grosse Rolle gespielt hat.»
Nadja Nänni bestätigt diese Aussage. Der Teamgeist und eine voraussehbar gute Integration in das bestehende Team der Klinik sei ein wichtiger Faktor. Es sei nämlich nicht etwa ein Gremium, welches entscheide wer angenommen werde, sondern das geschehe im Plenum. «Es müssen alle Oberärzte und Weiterbildungsassistenten der Meinung sein, dass der Bewerber oder die Bewerberin ins Team passt.»

Mentoren, nicht Vorgesetze

Die gute Stimmung ist etwas, das mir bei meinen Besuchen an der RZM aufgefallen ist. Nänni betont, dass die Hierarchien hier absichtlich flach gehalten werden, was sicher zum guten Klima beiträgt. «Wir als Klinik nehmen auch jedes Jahr geschlossen an zwei Kongressen – jeweils ein nationaler und ein internationaler – teil. Da reisen wir alle gemeinsam hin. Das schweisst sehr zusammen und sorgt für ein grossartiges Klima.»
Das spürte auch Gastreferentin Amato am Seminarnachmittag. Zum Schluss meines Besuches an der RZM frage ich sie, was sie denn nun von Zürich mitnimmt nach Basel: «Mir hat es sehr gefallen hier und ich finde den interkantonalen Austausch im Rahmen des Seminars genial. Wir haben alle das gleiche Ziel. Und ich fände es schön, wenn man mehr und enger zusammenarbeiten könnte.»

Weniger Kantönligeist

Ein Anliegen, das auch Nadja Nänni aus dem Herzen spricht. «Es ist immer noch etwas in den Köpfen der Leute, dass man meint, man muss in Zürich studiert haben, um sich hier für die Fachzahnarzt-Ausbildung bewerben zu können. Da möchten wir entgegenwirken und zeigen, dass wir offen sind. Jeder kann sich bei uns bewerben. Und wir freuen uns darüber! Auch bei den jetzigen Assistenten sind vier von anderen Schweizer Unis zu uns gekommen. Das tut auch uns gut!»
Das war ein spannender, lebhafter Seminarnachmittag an der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin am Zentrum für Zahnmedizin (ZZM) in Zürich. Zürich ist die grösste Uni in der Schweiz und trotzdem kam es mir hier sehr familiär und herzlich vor. Nadja Nänni sagt zum Abschluss: «Ich bin jeden Tag gerne hier!»
Ich bedanke mich für die schönen Einblicke ins Fortbildungsprogramm und wünsche weiterhin viel Freude und Erfolg!

Mehr Infos zur Ausbildung Fachzahnärztin Rekonstruktive Zahnmedizin SSO gibt es hier:

www.ssrd.ch/de