11. Nov. 2021

Die ZZS zu Besuch im UZB, dem Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel

Marion Gredig

Vom Bahnhof geht’s im «Drämmli» über den Rhein ins Kleinbasel an die Mattenstrasse. Am UZB habe ich mich mit Professor Dr. Andreas Filippi und PD Dr. Thomas Connert verabredet. Die beiden begrüssen mich aber nicht etwa auf Baseldytsch, sondern auf Hochdeutsch und erklären gleich, was sie mir heute alles zeigen wollen.
Mir gefällt das UZB auf Anhieb. Ein schöner Bau. Kühler Sichtbeton und warmes Holz finden sich im Treppenhaus, das uns in die einzelnen Etagen führt. Jeder Stock ist gleich aufgebaut. Symmetrisch, schlicht und hell. Moderne Uni = moderne Zahnmedizin? Dieser Rückschluss liegt auf der Hand und wird von Filippi bestätigt. Er sei ein grosser Fan der Digitalisierung.

  

Auch wenn der Workflow am UZB mehrheitlich digital ist, braucht es einen guten Zahntechniker (links Prof. Filippi, rechts ZT Andreas Maurer).

Die digitale Universität
«Ich mache das ja schon relativ lange. Und ich muss sagen, die Zahnmedizin ist schon super geworden. Diese Hightech-Möglichkeiten, gerade auch in der Implantologie. Wir planen digital, bereiten die OP digital vor, es gibt Bohrschablonen, durch die man beim Eingriff dann mit hoher Präzision die Tiefe, die Position und die Achse des Implantats festlegt. Nicht nur die Präzision hat zugenommen, die Materialien, die Implantate sind auch besser geworden. Die Evidenz hat eigentlich überall deutlich zugenommen» schwärmt der Oralchirurg.

Drilling and milling
Drilling and milling ist ein Trend am UZB. Filippi sagt: «Der digitale Workflow in der Implantatchirurgie macht heute ca. 80 % aus. Und ich bin mir sicher, die Zukunft der Zahnmedizin ist digital.»
Dem kann Kollege Connert, der Endodontologe, nur zustimmen: «Ja, die Digitalisierung ist zum Wohle des Patienten. Und natürlich auch zur Freude des Behandlers. Denn wenn man so präzise sieht, was man tut, macht das mehr Spass, weil man automatisch auch erfolgreicher ist. Wir machen vieles digital und haben auch fast alles an Scannern, was der Markt hergibt. Mit «Guided Endodontics» haben wir in Basel z. B. weltweit die erste digital geplante Wurzelkanalbehandlung anhand einer 3D-gedruckten Schablone durchgeführt.»
Bereits im Studentenkurs wird CEREC verwendet – das ist der Standard in der Zahnerhaltung. Auch hier ist der Workflow zu 80 % rein digital. Ausser natürlich, es gehe um einen hochästhetischen Fall, dann wird eine Zahntechnikerin hinzugezogen, erklären mir die Herren in Weiss.
Wir kommen im vierten Stock an. Da sind die Prothetik und die Zahnerhaltung wo Connert arbeitet und auch meistens anzutreffen ist. Denn in Basel gilt: Jeder Klinikleiter und Oberarzt arbeitet mindestens 40 % am Patienten. Bei Connert ist es eher mehr. Aber ihm gefallen alle Bereiche des Unialltages: «Alles macht Spass. Das ist ja das Spannende an der Universität. Man hat vielleicht in der Behandlung ein etwas eingeschränkteres Spektrum, aber das Gesamtfeld mit Lehre, Forschung und Patientenversorgung ist natürlich sehr vielseitig. Alles hat seinen Reiz.»

Die Treppe hält fit
Filippi nickt und beim Treppensteigen sehe ich seinem federnden Gang an, dass er jeden Tag eine halbe Stunde joggt. Übrigens mit seiner Frau, die ebenfalls Zahnärztin ist und durch den Zusammenschluss der drei Kliniken jetzt auch hier im Gebäude arbeitet. Das funktioniere sehr gut, man arbeite ja nicht direkt zusammen, Beruf und Privates gut zu trennen sei sicher der richtige Weg, meint er lachend.
Die Lehre, der Studentenkurs findet am UZB im zweiten Stock statt. 30 Studierende werden hier pro Jahr ausgebildet und normalerweise surrt hier jeder Bohrer, jetzt sind aber gerade Semesterferien.

Selfie-Pause in der Bibliothek
Wir laufen am hauseigenen Bankomaten im UZB vorbei. Praktisch! Die Cafeteria daneben ist aus Schutz vor Covid-19 zu, so wie auch die Bibliothek gerade nicht besucht ist. Wir schauen aber hinein, in diesen lichtdurchfluteten Raum, wo man sich trifft zum Studieren, zum Lernen oder zum Vorbereiten der Masterarbeit. Und Filippi, Connert und ich gönnen uns zwischen Bücherregalen und Bildschirmen eine Selfie-Foto-Pause auf den bequemen Sesseln. Ich frage Filippi, ob er denn schon immer wusste, dass er Zahnarzt werden wollte. «Nein, das hat sich so ergeben, wie das im Leben manchmal so ist.» Er komme aus einer Familie, wo es keinen einzigen Arzt gibt, von da her war das etwas ungewöhnlich, dass er Zahnmedizin studiert hat. «Es war Zufall. Ich wurde gefördert und dann ging das so nach oben. Wenn man Freude an etwas hat, entwickelt man sich auch in die Richtung.» Dass die Freude am Beruf bei ihm anhält merkt man, wenn er über die Zahnmedizin doziert. Auch Connert sieht man die Begeisterung an. Bei ihm wurde sogar der Berufstraum zum Traumberuf. Denn der 40-jährige Hobby-Ornithologe, der gerne zu Fuss mit seinem Hund unterwegs ist, wusste schon als Kind, dass er einmal Professor werden möchte. Diesem Karriereziel ist er schon ganz nahe. In 2,5 Jahren bekommt Connert in aller Voraussicht seine Titularprofessur. So wird dann aus dem Bubentraum Realität.

Auf zu den Steris!
Wir stehen wieder auf aus diesen Polstersesseln, denn jetzt geht es ins Herzstück des UZB: In die AEMP, die Aufbereitungs-Einheit für Medizinprodukte. 12 Mitarbeiterinnen arbeiten hier in zwei Schichten und belegen ein 1’000 Prozentpensum. Wir treffen die Leiterin des AEMP, die gelernte Dentalassistentin Diana Blanco, die sich zur Technischen Sterilisationsassistentin mit erweiterter Aufgabenstellung weitergebildet hat. Sie hilft uns beim «Verkleiden», denn jetzt müssen wir uns umschleusen. Das heisst Einweg-Schutzschürze an, Schuhschutz und Haube auf. Erst so, ganz in grün sind wir bereit, das Reich von Blanco zu betreten: Die modernste Sterilisationsanlage der Schweiz! Hier werden Spiegel, Pinzetten, Sonden, Scheren, Matrizenhalter, Paro-Sonden, Glasplatten etc. aufbereitet, sterilisiert, von Hand mit der Lupe kontrolliert und in sterilen Containern in Trolleys in die Etagen per Transportlift hochgefahren. Alles läuft wie am Schnürchen auf Hochtouren. Das UZB hat 90 Behandlungsstühle und pro Tag viele Hundert Patienten, für jeden Patienten werden ein oder mehrere Container gebraucht: da kommt etwas zusammen. Rund 8’000 Instrumente pro Tag landen in der AEMP!
Blanco erklärt den Ablauf: «Fünf Mal am Tag werden alle kontaminierten Instrumente von einer Mitarbeiterin mit dem Transportwagen eingesammelt und per Transportlift in die AEMP geliefert. In der Nasszone werden die Siebe auf den Waschkorb des Reinigungs- und Desinfektionsgeräts gelegt.» Es folgen diverse andere Arbeitsschritte und dann, so erklärt Blanco weiter, wird auf die einzeln verpackten Instrumente eine Kreislaufetikette geklebt. «Durch diese kann der gesamte Aufbereitungsprozess zurückverfolgt werden. In der Sterilzone wird dann das Sterilgut nach der Sterilisation kontrolliert und am Computer freigegeben.» Am AEMP ist alles klar geregelt, sogar die Mittagspause wird den Maschinen angepasst.» So wie wir hier in der AEMP arbeiten – das ist einzigartig in der Schweiz» verkündet die junge Frau voller Stolz.
Dieser Stolz schwingt auch bei Filippi mit: «Beim Neubau haben wir uns Gedanken gemacht: wohin gehen wir mit diesem Thema in Basel aus Sicht zukünftiger Richtlinien zur Hygiene in Zahnarztpraxen und Zahnkliniken? Was wir hier haben wird früher oder später in allen Zahnarztpraxen gefordert werden.»

  
PD Dr. Thomas Connert, Diana Blanco und Prof. Dr. Andreas Filippi zeigen das Herzstück des UZB die AEMP, die modernste Sterilisationsanlage der Schweiz.

Weiss, grün, weiss
Beeindruckt von dem strukturierten, fleissigen Arbeiten in der sterilen Zone begleite ich meine beiden Interviewpartner, die nun wieder weiss tragen, weiter durchs UZB. Zwischen den Behandlungszimmern stehen Lichtschächte. Und wenn man von oben schaut, dann sieht das UZB wie eine Zahnlücke aus. «Diastema» hiess auch der Entwurf der Architekten, die den Zuschlag für diesen Basler Prestigebau erhalten haben. Übrigens Zürcher.

Per Swipe durch die Behandlung
Connert sagt: «Wir können hier am UZB wirklich alles anbieten und was ich vor allem auch schätze ist die Interdisziplinarität. Das Miteinander hier ist fantastisch. Es gibt keine Gräben zwischen Zahnerhaltung, Prothetik und Oralchirurgie, man zieht an einem Strang! Wir haben auch vier fächerübergreifende Zentren, wie zum Beispiel das Zahnunfallzentrum. Da sind alle mit dabei, Oralchirurgen, Zahnerhalter, Endodontologen, Prothetiker und Kieferorthopäden – das funktioniert wirklich super! Da würde ich sogar wagen zu behaupten, dass es in Basel vielleicht besser funktioniert als anderswo. Weiterer Pluspunkt, wir haben es auch menschlich sehr gut miteinander.»
300 Personen arbeiten am UZB, man kennt sich. Was mir auf meinem Rundgang auffällt, das Wissen, die Erfahrungen und Erkenntnisse möchte man teilen, und zwar möglichst breit. «Das was wir hier machen, das machen wir nicht für uns, sondern wir wollen, dass möglichst viele Leute von dem Fachwissen, dass wir gesammelt haben, profitieren», bestätigt Filippi und zeigt mir einige Fachbücher, die er in den letzten Jahren geschrieben hat. Und auch hier erkennt man das Vordenken, den Zeitgeist. Die Texte sind neuerdings mit einem QR-Code versehen. Diesen scannt man mit der Handykamera und sieht die OP nicht nur in statischer Form von Bilderserien im Buch, sondern jeden Schritt als einzelnes Video. So wolle er die Wissensvermittlung auf eine andere Ebene bringen, erklärt er.

Zahnunfall-App
Gelungen ist diese moderne Wissensvermittlung auch mit der Zahnunfall-App «Accident». Der Professor erklärt den Gedanken dahinter: «In der Praxis hat man ja nicht so viele Trauma-Fälle. Deshalb fehlt oft die Erfahrung. Es gibt verschiedene Arten von Frakturen und Dislokationen sowie verschiedene Gewebe, die daran beteiligt sind. Wenn man da nicht wirklich ganz genau weiss, wie vorzugehen ist, kann man durch eine fehlerhafte Erstbehandlung die Prognose des betroffenen Zahnes erheblich verschlechtern. Die Accident-App ist da eine grosse Hilfe und wird auch sehr rege genutzt.»

Die Zentren stehen im Zentrum
«Wir haben im Haus vier Zentren die klinikübergreifend, also interdisziplinär arbeiten. Das Zahnunfallzentrum, das Kompetenzzentrum Implantologie, das Zentrum für Speicheldiagnostik und Mundtrockenheit sowie das Kompetenzzentrum Dental Imaging. In Zukunft wird es vermutlich noch mehr Zentren in Basel geben», meint Filippi, zum Beispiel eines für spezielle Erkrankungen, die man nur interdisziplinär auf hohem Niveau behandeln kann.
Eines dieser Zentren, wo Fachzahnärzte interdisziplinär zusammenarbeiten, besuchen wir nun noch zum Schluss dieses informativen Tages im Basler Rosentalquartier. Es geht ins Erdgeschoss zur Mundgeruch-Sprechstunde, ein Teil des Zentrum für Speicheldiagnostik und Mundtrockenheit. «Vielen Patienten wird beim Thema Mundgeruch nicht weitergeholfen. Sie gehen zum Hausarzt, das nützt meistens nichts und dann gehen sie zur Magenspiegelung, was der grösste Unfug ist», meint Filippi und fügt an, dass das Problem bei Mundgeruch praktisch nie der Magen, sondern entweder die Mundhöhle, die Nase, die Nebenhöhlen, die Psyche oder der Zungenbelag ist. Deshalb wird in der Mundgeruch-Sprechstunde unter anderem auch eine Professionelle Zungenreinigung und bei Bedarf auch eine Speicheldiagnostik durchgeführt.

Was ist noch analog an der digitalen Uni?
Nicht viel, aber ein Teil der Prothetik. Ich sehe noch Gipsmodelle und frage, ob hier noch Alginat-Abformungen gemacht werden. «Ja natürlich» meint Filippi «denn gerade in der abnehmbaren Prothetik ist die Abformung mit dem Intraoralscanner nicht immer ausreichend. Die Umschlagfalte kann nicht wiedergegeben werden.» Aber auch in der Festsitzenden Prothetik lehrt man noch das klassische Abformen, das gehört zur Ausbildung. Den zahntechnischen Ausbildungsteil der Studierenden betreut Zahntechniker Andreas Maurer. Er sieht sich selber weniger als Lehrer, sondern eher als Supervisor, eine Art helfende Hand in der Not. Auch er findet es absolut sinnvoll, dass hier noch mit Gipsmodellen gearbeitet wird, denn: «Für jede Reparatur, jede Unterfütterung braucht es einfach die klassische Abformung. Anders geht es nicht und das wird auch in nächster Zukunft nicht digital zu lösen sein.»

Zukunft
Die Frage die Filippi beschäftigt ist: «Was können wir für Patienten mit so genannten «Special needs» tun? Es gibt Menschen, bei denen die klassische Zahnmedizin nicht weiterkommt. Weil der Zahnschmelz anders ist, weil die Behandlungsfähigkeit limitiert ist, weil sie autistisch sind, oder weil sie zum Beispiel eine Sehbehinderung haben und man ihnen nicht zeigen kann, wie man die Zähne putzt. Und da sind die krebskranken Kinder, die durch die Onko-Therapie Zahnentwicklungsstörungen und akute Mukositis haben. Da gibt es keine Standardbehandlungen und es braucht eine andere Zahnmedizin. Deshalb beschäftigen wir uns hier am UZB heute intensiv in einer interdisziplinären Gruppe damit, sodass wir morgen hoffentlich noch bessere Angebote haben.»
Wir sind am Ende meines Besuches am UZB angelangt, und laufen noch einmal durch das schöne, kühle Treppenhaus. Sichtbeton, klare Linien – das passt zu den beiden Perfektionisten, die ich heute begleitet habe. Ich verabschiede mich vom Professor und dem Professor in spe und danke für den Einblick in ihre ‹Alma mater›. Mit vielen spannenden Eindrücken mache ich mich wieder auf den Weg zum Drämmli. Und in dem Sinn: Danggerscheen und Aadie Basel!

Kontakt:
UZB Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel
Mattenstrasse 40
4058 Basel

Marion Gredig
Schulstrasse 6
CH-5706 Boniswil
marion.gredig@labor-gredig.ch

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