21. Aug. 2019

Mundschleimhaut im Fokus

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Ende Juni fand das jährliche Mundschleimhaut-Symposium der Universität Zürich statt. Wir hatten die Gelegenheit am Rande des Symposiums mit Dr. Barbara Giacomelli-Hiestand, Oberärztin der Poliklinik für Oralchirurgie, zu sprechen. Sie hat uns berichtet, worauf in der Praxis zu achten ist und warum es manchmal Sinn macht, seine Patienten zum Spezialisten zu schicken.
ZZS: Welche Themenschwerpunkte wurden am diesjährigen Mundschleimhaut-Symposium beleuchtet?
Giacomelli-Hiestand: Wir haben den Fokus ganz bewusst auf das Wichtige für die Praxis gelegt. Die häufigsten Mundschleimhautveränderungen wurden im Rahmen des Symposiums interdisziplinär beleuchtet und Therapiemöglichkeiten diskutiert. Das Thema der Präkanzerosen wurde einleitend durch mich praxisrelevant vermittelt. Es wurde einerseits auf die korrekte Befundung der Mundschleimhaut und damit der Erkennung von Präkanzerosen eingegangen und andererseits auf das Procedere bei Vorliegen einer Mundschleimhautveränderung.  PD Dr. Kamarachev, Oberarzt der Klinik für Dermatologie der Universität Zürich, thematisierte pathologische Veränderungen der Mundhöhle aufgrund von sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Mundschleimhaut sei epidemiologisch wichtig als Eintrittspforte der Geschlechtskrankheiten und klinisch relevant als Ort ihrer Manifestation. Im Anschluss gab Dr. Brügger, Neurowissenschaftler der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Einblicke in die Forschung im Bereich des Mundbrennens. Prof. Dr. Dr. Stadlinger, Leitender Arzt und Leiter der Forschung der Poliklinik für Oralchirurgie, zeigte die verschiedenen Ausprägungen eines Oralen Lichen Planus sowie ihre Behandlungskonzepte auf. Ausserdem wurde auf mögliche Implantatversorgungen bei Patienten mit Lichen planus eingegangen sowie verschiedene Vorsichtsmassnahmen besprochen, um eine maligne Transformation möglichst zu verhindern. Den ersten Teil der Veranstaltung beendete Herr Prof. Dr. Trüeb, Privatpraktiker und Dermatologe, mit dem Thema der bullös veränderten Mundschleimhaut. Es wurde näher auf die Leitsymptome der Mundschleimhaut eingegangen wie Bläschen, erosiv-ulzeröse Stomatitis, aphthöse Stomatitis und desquamative Gingivitis, ihre möglichen zugrundeliegenden Erkrankungen aufgezeigt und Therapiekonzepte erläutert.
Frau Dr. Bachmann, Oberärztin am Kinderspital Zürich, erläuterte das Thema der infektiös verursachten Mundschleimhautveränderungen bei Kindern. Sie erklärte, in welchen Fällen eine Therapie indiziert ist und damit eine Überweisung an einen Kinderarzt sinnvoll ist. Die richtige Entnahme einer Biopsie sowie deren Verarbeitung wurde von Dr. Ikenberg, Oberarzt am Institut für Pathologie und Molekularpathologie des USZ erklärt. Dr. Dr. Lanzer, Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, griff das Thema der Präkanzerosen auf und erläuterte das Procedere einschliesslich der Abläufe im für eine moderne Behandlung unverzichtbaren Tumorboard beim Vorliegen einer malignen Veränderung. PD Dr. Dr. Gander, Leitender Arzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts-chirurgie zeigte in seinem abschlies-senden Vortrag eindrücklich die Möglichkeiten der ästhetischen und funktionellen Rehabilitation mittels lokaler Lappenplastiken.

ZZS: Was sind die allgemeinen Anzeichen dafür, dass eine Mundschleimhautveränderung alarmierend ist?
Giacomelli-Hiestand: Grundsätzlich ist es wichtig, jede Art von veränderter Mundschleimhaut ernst zu nehmen. Das Problem ist, dass Effloreszenzen der Mundschleimhaut nicht so vielgestaltig und damit diagnoseweisend sind wie an der Haut. Die am häufigsten beobachtete Effloreszenz der Mundschleimhaut ist das Ulcus. Dieses kann aber viele verschiedene Ursachen haben. Die meisten Veränderungen sind gutartig. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich Zellen mit der Zeit bösartig verändern. Wenn ein irritativer Faktor, wie beispielsweise eine scharfe Zahnkante oder eine störende Prothesenklammer für die Reizung der Schleimhaut in Frage kommt, so ist die Elimination dieses Faktors primär angezeigt. Liegt keine mechanische oder physiko-chemische Ursache für die Schleimhautveränderung vor oder persistiert die Veränderung nach Beheben des möglichen ätiologischen Faktors, so muss zwingend eine Biopsie für die histopathologische Untersuchung entnommen werden.

ZZS: Wann wird dazu geraten, eine Biopsie zu entnehmen?
Giacomelli-Hiestand: Wenn keine Ursache für die veränderte Mundschleimhaut gefunden werden kann, ist in jedem Fall eine Biopsie angezeigt. Liegen mögliche irritative Faktoren vor, so sind diese zu eliminieren. Sollte die Mundschleimhautveränderung auch zwei Wochen nach Elimination der Reizung noch persistieren, ist ebenfalls eine Biopsie indiziert.

ZZS: Wie häufig soll eine veränderte Schleimhaut nachkontrolliert werden?
Giacomelli-Hiestand: In unserer Mundschleimhautsprechstunde der Poliklinik für Oralchirurgie werden die Patienten individuell betreut. Das Intervall für Nachkontrollen von Mundschleimhautveränderungen richtet sich nach dem histopathologischen Befund der Biopsie. Da grundsätzlich jede Art der Mundschleimhautveränderung entarten kann, ist ein regelmässiges Recall unerlässlich.

Dr. Barbara Giacomelli-Hiestand

ZZS: Was ist bei einer Nachkontrolle wichtig?
Giacomelli-Hiestand: Eine Fotodokumentation bei Mundschleimhautveränderung ist essenziell, um Abweichungen in Form, Farbe und Grösse beurteilen zu können. Sollte sich eine Veränderung im Recall alarmierend darstellen, sollte eine erneute Biopsie erfolgen, um eine maligne Entartung histopathologisch entweder ausschliessen oder eine weiterführende Therapie ohne Zeitverzögerung einleiten zu können.

ZZS: Wie kann der pathohistologische Befund interpretiert werden?
Giacomelli-Hiestand: Eine veränderte Mundschleimhaut wird grundsätzlich in Veränderungen mit und ohne Dysplasie unterteilt. Handelt es sich um eine Dysplasie, so wird diese pathohistologisch weiter unterteilt in geringgradige, mässiggradige und hochgradige Dysplasien, in ein Carcinoma in situ und schlussendlich in ein invasives Karzinom. Je nach Ausprägung der Dysplasie ist die Therapie anzupassen. Eine Überweisung an eine Fachklinik ist in einem solchen Fall zu empfehlen.

ZZS: Wann ist eine Überweisung an einen Spezialisten notwendig?
Giacomelli-Hiestand: Grundsätzlich kann eine Überweisung an einen Spezialisten bereits in einem frühen Stadium sinnvoll sein, das heisst unmittelbar nach Entdecken einer Mundschleimhautveränderung. Die Biopsie kann dann direkt durch den Spezialisten erfolgen, was eine Weiterbehandlung je nach Befund erleichtern kann. Eine Überweisung ist aber spätestens dringend empfohlen, sollte sich der histopathologische Befund als maligne erweisen.

ZZS: Welche Vorteile haben der niedergelassene Behandler und der Patient, wenn eine Überweisung zur Mundschleimhaut-Sprechstunde der Universität Zürich erfolgt?
Giacomelli-Hiestand: Zusätzlich zu unserer wöchentlichen Mundschleimhautsprechstunde findet alle sechs Wochen unsere interdisziplinäre Sprechstunde statt. Seltene oder aussergewöhnliche Befunde werden zusammen mit den Dermatologen des Universitäts-Spitals Zürich besprochen und individuelle Therapiekonzepte festgelegt. Sollte eine Biopsie indiziert sein, so kann diese direkt durchgeführt werden. Zeigt der histopathologische Befund eine maligne Veränderung, so kann der betroffene Patient direkt an unsere klinikinterne Spezialsprechstunde, die Tumorsprechstunde, weitergeleitet und die weiterführende Behandlung ohne Zeitverzögerung durchgeführt werden.

ZZS: Wie kann ein niedergelassener Zahnarzt einen Patienten an die Mundschleimhautsprechstunde der Universität Zürich überweisen?
Giacomelli-Hiestand: Eine Überweisung an die Mundschleimhautsprechstunde der Poliklinik für Oralchirurgie kann entweder per E-Mail erfolgen an zzm.oc@hin.ch, per Überweisungsformular, welches auf der Homepage des Zahnärztlichen Zentrums für Zahnmedizin www.zzm.uzh.ch zu finden ist oder telefonisch unter der Nummer 044 634 32 90.

ZZS: Vielen Dank, Frau Dr. Giacomelli-Hiestand, für diese für die niedergelassene Zahnarztpraxis wichtigen Informationen.

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zzm.oc@hin.ch
Tel. 044 634 32 90