1. März 2021

Von der guten und der schlechten Nachricht

ZZS

Die Ärzte blicken sich vielsagend an. Einer von ihnen übernimmt die psychologisch wohldurchdachte frohe Botschaft der Diagnose und spricht: «Frau Bruch (Name geändert), wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht.»

Die Übermittlung der Botschaft
Frau Bruch ahnt sogleich, dass es wohl nicht gut um sie steht, denn sonst müsste keine gute Nachricht vorgeschoben werden. Die gute Nachricht interessiert sie nur mäs-sig, die schlechte umso mehr. Die Erwartung der schlechten Nachricht lässt sie in Anspannung verharren. Der Arzt verkündet freudig zuerst die gute Nachricht: «Es hätte auch Ihren Kopf erwischen können!» Das wäre in etwa so, wie wenn Sie Ihrem Patienten, der sich die Zähne ausgeschlagen hat, sagen würden: «Die gute Nachricht ist, es hätte auch ihre Füsse erwischen können.»
Der Arzt fährt weiter mit der schlechten Nachricht: «Leider ist bei Ihrem Bruch nichts mehr zu machen. Sie benötigen eine Prothese.» Frau Bruch hätte sich in eine handfeste Depression stürzen können, wäre sie nicht von Natur aus ein positiver Mensch. Sie fragt nach Alternativen. Die gibt es nicht…
Allerdings hätte es in der Übermittlung der frohen Botschaft durchaus Alternativen gegeben. Wie wir bereits wissen, entstehen durch Worte Bilder im Kopf und diese steuern unsere Gefühle. Die Formulierung «schlechte Nachricht» löst keinesfalls ein gutes Gefühl aus, im Gegenteil, unser Kopfkino spielt uns gleich Schreckensszenarien vor. Dies hätte sich vermeiden lassen, wenn die Ärzte eine neutrale Kommunikation gewählt hätten. Zum Beispiel so: «Liebe Frau Bruch, wir haben die Röntgenaufnahmen analysiert. Sie haben sich einen komplexen Bruch zugezogen. Dieser lässt sich gut behandeln. Die Lösung in diesem Fall ist die Implantierung einer Prothese. Dabei handelt es sich um einen Routineeingriff, und schon bald werden Sie wieder fit zurück im Alltag sein.»

Erkennen Sie die unterschiedliche Wirkung?
Frau Bruch hätte sich vermutlich entspannter und zuversichtlicher gefühlt. Vielleicht hätten sie die Worte «gut, Lösung, Routineeingriff, fit» beruhigt und die schwierige Nachricht wäre so neutralisiert besser verkraftbar gewesen.
Glücklicherweise sind Sie gut sensibilisierte Zahnärztinnen und Zahnärzte, die behutsam mit Ihren Patienten umgehen. Dennoch gibt es wohlwollende Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, die ihre Patienten gutgemeint auffordern, sie sollen doch bitte ein Zeichen geben, wenn es weh tut. Autsch! Dieses schmerzhafte Wort «weh» erzeugt Bilder-Gefühle im Kopf. Wie liesse sich diese Aussage positiv und wirkungsvoll entschärfen? Indem Sie beispielsweise Ihre Patienten einladen, ein Zeichen zu geben, wenn sie eine Pause benötigen.
Werfen wir abschliessend noch einen Blick auf Ihren Behandlungsstuhl. Wenn Ihre Patientin darauf Platz genommen hat, werden Sie darauf achten, dass Sie nicht nur intellektuell auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, sondern sich auch physisch auf körperlicher Augenhöhe befinden.
Denn Frau Bruch wurde im wörtlichen Sinne von oben herab behandelt: Sie lag auf der Liege und das Ärztequartett hat sich stehend vor ihr aufgebaut. Ihr Gesprächspartner hätte sich hinsetzen können, um das Machtgefälle zu relativieren. So steht auch Ihnen die Möglichkeit offen, ein Gespräch mit Ihrem Patienten entweder an einem Besprechungstisch zu führen oder sonst zumindest den Behandlungsstuhl in aufrechte Position zu versetzen, während Sie sich daneben setzen.
Von nun an gibt es für Ihre Patienten keine schlechten Nachrichten mehr – zumindest nicht aus Ihrem Munde. Ist das nicht eine frohe Botschaft? 

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