«Wir brauchen mehr Expertise und gut ausgebildetes Fachpersonal»
ZZS: Welche Aspekte sind bei der professionellen mechanischen Plaque Reduktion zu beachten?
Gülistan Tapti: Es ist immer eine Kombination aus manueller und maschineller Belagsentfernung notwendig. Manchmal sehe ich sogenannte «Flaschen-Hals»- Schneidezähne bei Neu-Patienten, das passiert immer dann, wenn man mit scharfen Handinstrumenten das Zahnbein abschabt. Oder Wurzelzement ist futsch, weil im PAR-Recall (UPT) «sinnfrei» mit scharfen Kürretten rumgekratzt wird. Wir brauchen mehr Expertise und gut ausgebildetes Fachpersonal, da es eine grosse Herausforderung bleibt, Patienten im Rahmen der Prophylaxe gut zu behandeln und Zahnoberflächen nicht zu schädigen. Über ein altes Ölgemälde gibt man auch keinen Alkohol zur Reinigung. In beiden Fällen ist Fingerspitzengefühl gefragt und Knowhow der Prophylaxe Expertin. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass PZR mit Einsatz der Perio-Pulver eine moderne Massnahme ist, da sich damit sehr sicher substanzschonend Zahn- und Wurzeloberflächen reinigen lassen. Der situationsangepasste Einsatz von Handinstrumenten und Piezon-Ultraschall-Nutzung ist kombiniert weiterhin unerlässlich, da die Feindepuration und der Faktor Mensch hinsichtlich Kontraindikationen immer betrachtet werden müssen.
ZZS: Welche Vorteile bietet die Luft-Pulver-Wasserstrahltechnik?
Tapti: Da gibt es einige Vorteile zu nennen: Die LPW-Technik ist ein sehr effizientes Verfahren, um weich organisierte dentale Biofilme und extrinsische Zahnverfärbungen abzulösen und zeitgleich substanzschonend die Zahn- und Wurzeloberfläche zu reinigen – im Rahmen der Prophylaxe und Nachsorge der parodontal erkrankten Patienten (UPT) kaum mehr wegzudenken. In meinem Praxisalltag als Dentalhygienikerin arbeite ich überwiegend mit Glyzin-Pulver, welches gleichermassen oberhalb der Zahnkrone zur Reinigung und Politur als auch für subgingivale PMPR-Massnahmen zum Einsatz kommt. Es ist die hohe Kunst der Dentalhygiene angepasst zu instrumentieren, um die Zahn- und Wurzeloberflächen effizient und schonend zugleich zu reinigen. Die sehr gute Studien-Datenlage für Glyzin-Pulver spricht für sich. Neben der Zeitersparnis, dem Wohlfühlerlebnis für den Patienten finde ich die Leichtigkeit für die ZMP/DH als sehr angenehm. Ergonomisches Arbeiten und angepasste Instrumentations-Techniken führen ebenfalls zu weniger Ermüdungserscheinungen und wirken sich ebenso auf die Erhaltung der Handgesundheit der ZMP und DH aus.
DH Gülistan Tapti
ZZS: Es stehen verschiedene Prophylaxepulver zur Auswahl? Welches kommt in welcher Indikation zum Einsatz?
Tapti: Hier halte ich es nach dem Motto: Keep it simple and smart! Es gibt zwei Prophylaxepulver, die aus meiner Sicht alle Anwendungsbereiche abdecken. Zum einen das Natriumbicarbonat, welches zum Ablösen von hartnäckigen extrinsischen Verfärbungen ausschliesslich im Zahnschmelzbereich zur Anwendung kommt. Zu beachten ist eine feine Korngrösse <40μm. Wichtig, da die Anwendung von Natriumbicarbonat zu Rauigkeiten der Schmelzoberflächen führt, ist eine anschliessende klassische Nachpolitur mit Gummikelch und Polierpaste nötig. Einfacher ist die Handhabung mit dem Glyzin-Pulver, denn bei der Anwendung kann man sowohl extrinsische Zahnverfärbungen als auch weich organisierte Biofilme ablösen. Sozusagen Reinigung und Zahnpolitur mit der Glyzin-Pulver-Anwendung, eine klassische Zahnpolitur ist danach nicht nötig. Ein Umdenken und gute Patientenaufklärung im Sinne einer einheitlichen Teamsprache sind ebenfalls hilfreich. In der Patientenwahrnehmung kann es sich psychologisch so anfühlen als würde man was weggelassen, die altbekannte klassische Zahnpolitur. Bei solch skeptischen Patienten kann eine sich anschliessende Politur mit weichem Gumminapf und softer Polierpaste (<RDA 5) erfolgen, ohne zu hohen lateralen Anpressdruck bei niedriger Drehzahl. Einzig Zahnschmelzoberflächen, an denen mineralisierte Zahnbeläge – sprich Zahnstein – vor der PMPR anhafteten, sollten in jedem Fall klassisch nachpoliert werden. Überzeugend, angenehm und substanzschonend ist die alleinige Glyzin-Pulver-Anwendung in jedem Fall für Behandler und Patienten. Ich möchte es nicht mehr missen.
ZZS: Vermutlich gibt es je nach Indikation verschiedene Vorgehensweisen oder geht es immer nach Schema F?
Tapti: Nein, es geht nicht immer nach Schema F. Die Abläufe im Rahmen der PZR sollten standardisiert sein. Alle Schritte im Rahmen der Qualitätssicherung, wie zum Beispiel die Aufnahme von Befunden (Parodontal-Befunde, Plaque-Werte) geben wichtige Hinweise, wie man die Reihenfolge der Instrumentierung wählt. Es gibt Kontraindikationen, welche bei jedem Menschen unterschiedlich sind. Um ein Risiko sicher einzuschätzen, sollte man verschiedene Aspekte berücksichtigen. Hinweise in der Anamnese (Asthmatiker, Endokarditis-Risiko o.a.), lassen Risikopatienten erkennen. Auch das klinische Bild im Mund des Patienten sollte man genauer betrachten. Wie tief sind die parodontalen Taschen, gibt es Hinweise auf akute Entzündungen, sind Zahnfleischschwellungen sichtbar, wie verläuft die Zone von anhaftender Gingiva zur Mundschleimhaut? Handelt es sich um eine präventive Professionelle Zahnreinigung oder ist es ein Patient in der parodontalen Nachsorge? Letztlich geben alle Befunde wichtige Informationen, wie ein Puzzlestück. Zusammen gibt es ein Gesamtbild. Das Risiko-Profil und die Einschätzung vor dem Einsatz der Prophylaxe-Pulver ist immer individuell zu entscheiden, um Nachblutungen oder Emphysem zu vermeiden. Die Patienten sicher und individuell gut zu behandeln ist nicht einfacher, wenn es in ein Schema-F Korsett einzwängt. Es bleibt Individual-Prophylaxe, die ich liebe, weil Faktor Patient immer anders ist.
ZZS: Sie verwenden die Prophylaxepulver zusammen mit dem combi touch von mectron. Welche Vorzüge ergeben sich für Sie und Ihre Patienten?
Tapti: Das combi touch ist eine Prophylaxe-Einheit, die gut durchdacht und einfach zu bedienen ist. Es vereint Piezon-Ultraschall-Handstück und ein Pulver-Strahl-Handstück. Wenn man die Vorteile des combi touch betrachtet, gibt es einige: zwei Pulverkammern je für Prophylaxe- und Perio-Pulver; einfache Bedienung mit einem Touch steuert das ausgewählte Pulver in das slim-line-Handstück, je nach Pulverkammer wechselt der Betriebsdruck, so dass ein energiereiches Pulver-Wasser-Strahlgemisch zum Einsatz kommt. Bei richtiger Handhabung (Abstand zu Oberfläche, Anstellwinkel) lassen sich mit Glyzin-Pulver auch extrinsische Verfärbungen sehr gut ablösen. Ausserdem ist das Wasser vorgewärmt, was die Anwendung für den Patienten zu einem angehnehmen Erlebnis werden lässt. Weitere Vorteile sind die Ergonomie, ein kleiner Sprühkopf sowie ein schlanker Griff geben dem Behandler zusätzlichen Komfort, da es sich unter der Anwendung leicht schwenken und steuern lässt.
ZZS: Wie reagieren Patienten auf diese Kombination von Piezon-Ultraschall und Luft-Pulver-Wasserstrahl-Anwendung in der PZR und UPT?
Tapti: Durchweg seit Jahren sehr positiv, dazu gibt es im Übrigen auch Studien. Vorgewärmtes Wasser und sanft schwingende (mectron, soft-mode-Technologie) Ultraschallschwingungen machen es zu einer Wohlfühlbehandlung, da der Patient bei richtiger Handhabung, wie korrekte Spitzen-Auswahl, Level-Stufe, Anlagewinkel, eine schmerzarme professionelle Piezon-Ultraschall-Anwendung erlebt. Die Vorteile der Luft-Pulver-Wasserstrahl-Anwendung sprechen ebenfalls für sich, denn neben der Zeitersparnis löst es sanft und effizient nicht mineralisierte Zahnbeläge. Alleinig durch die reine Anwendung von Glyzin-Perio-Pulver lassen sich sowohl Zahn- und Wurzeloberflächen effektiv reinigen. Sozusagen ein 2-in-1-Verfahren, was eine Win-Win-Situation für den Behandler und den Patienten darstellt. Mehr Wohlfühl-Prophylaxe und positive Erfahrungen für Patient und Behandler geht nicht.