1. Juli 2021

Basler Studie über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Zahnmedizin

Bornstein_web
Bornstein

ZZS: Prof. Dr. Bornstein, welche wichtigsten Auflagen galten für zahnmedizinische Einrichtungen während des Lockdowns?
Michael Bornstein: Am UZB haben wir in einer Task Force schon im Februar 2020 ein Schutzkonzept erarbeitet, welches wir laufend angepasst haben. Wie überall gelten bis heute zum Beispiel Maskenpflicht und Personenbeschränkungen. Die wichtigste Auflage war die, nur noch Notfälle zu behandeln. Also zum Beispiel keine jährlichen Kontrollen oder Dentalhygienetermine mehr. Das Spannende an der Studie war dabei festzustellen, ob es so zu längerfristigen Veränderungen des Patientenprofils gekommen ist.

ZZS: Hat es diese Veränderungen gegeben?
Michael Bornstein: Es scheint so. Aber dies betrifft nur die Zeit sechs Wochen nach dem Lockdown im vergangenen Frühling. Alles, was danach war, ist noch nicht wissenschaftlich untersucht, aber ich persönlich merke immer wieder, dass es Absagen gibt, weil Patientinnen und Patienten Termine nicht wahrnehmen möchten. Wir sind praktisch seit einem Jahr in einem Notfall-Zustand.

ZZS: Ihre täglichen Notfälle während des Lockdowns haben sich um über zwanzig Prozent gesteigert. Wie ist dies zu erklären?
Michael Bornstein: Das liegt wohl unter anderem daran, dass viele Zahnarztpraxen während des Lockdowns zunächst geschlossen haben, zum Beispiel, weil sie die Schutzkonzepte nicht einhalten konnten. Das zeigt auch der Fakt, dass die Notfallpatientinnen und -patienten im Lockdown von weiter herkamen.
 
ZZS: Verwunderlich ist, dass weniger Patientinnen und Patienten als Grund des Notfall-Besuches akute Schmerzen benannten als zuvor. Man würde denken, dass die meisten mit einem Zahnarztbesuch zugewartet haben, bis die Schmerzen kaum mehr erträglich waren.
Michael Bornstein: Oder sie harrten länger zu Hause aus und nehmen Schmerzmittel, weil die Angst vor einer Corona-Ansteckung auf dem Weg zu uns oder in der Klinik überwog. Die längerfristigen zahnmedizinischen Folgen davon werden sich erst noch zeigen – wie übrigens in der Medizin auch, ganz zu schweigen von psychischen Langzeitfolgen.

ZZS: Ebenfalls etwas verwunderlich ist, dass der Altersunterschied unverändert blieb. Offenbar war die altersmässige Risikogruppe nicht besonders vorsichtig.
Michael Bornstein: Das mag daran liegen, dass wir beim UZB sehr viele Kinder behandeln, und sich dieser Effekt dadurch etwas abschwächt. Bei anderen zahnmedizinischen Zentren würde das vermutlich anders aussehen.

ZZS: Es gab sehr wenige Patientinnen und Patienten mit COVID oder COVID-Verdacht …
Michael Bornstein: Das stimmt, wobei man sagen muss, dass es da mit Sicherheit eine Dunkelziffer gibt. Ich nehme an, dass die wahre Zahl damals höher war als heute, da ja kaum getestet wurde. Dass sich das UZB trotz dieser Tatsache nie zu einem Hotspot entwickelte, ist ein gutes Zeichen. Das zeigt klar, dass unsere Schutzmassnahmen funktionieren.

ZZS: Trotzdem gab und gibt es immer wieder unvorsichtige Leute, welche trotz Covid-Symp-tomen Termine wahrnehmen, ohne das Zentrum darüber zu informieren. Haben Sie keine Angst vor einer Ansteckung?
Michael Bornstein: Ich persönlich habe dies nicht, nein. Ich vertraue auf unsere Schutzmassnahmen am Haus; sie sind abgesichert und haben sich bewährt. In der gesamten Pandemie-Zeit gab es bisher nur einen einzigen Patienten, welcher einen Tag nach seinem Besuch am UZB positiv auf Corona getestet wurde, worauf die ihn behandelnde Zahnärztin ebenfalls positiv getestet wurde. Dennoch können wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass die Ansteckung am UZB erfolgt ist. Wir waren da am Höhe-punkt der zweiten Welle doch etwas «im Blindflug».

ZZS: Welches ist Ihr Fazit aus dieser Studie?
Michael Bornstein: Der Lockdown damals war richtig, weil man nicht wusste, was passieren wird. Aber wenn man gute Schutzmassnahmen trifft, kann man den Alltag – was die Zahnmedizin betrifft – durchaus relativ normal bestreiten. Es besteht kein Grund für die Patientinnen und Patienten, nicht zum Zahnarzt zu gehen, auch nicht für Routineuntersuchungen. Dies gilt auch für Risikopatientinnen und -patienten. Ich bin kein Epidemiologe, aber ich glaube, die Gefahr, sich bei der Anreise in den Öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken, ist höher, als dies hier am UZB der Fall ist.
 

www.uzb.ch

Studie:
Eggmann F, Haschemi AA, Doukoudis D, Filippi A, Verna C, Walter C, Weiger R, Zitzmann NU, Bornstein MM: Impact of the COVID-19 pandemic on urgent dental care delivery in a Swiss university center for dental medicine. Clinical Oral Investigations, 12 Mar 2021, DOI: 10.1007/s00784-021-03872-1

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Bornstein
Klinik für Oral Health & Medicine
Mattenstrasse 40
CH-4058 Basel
michael.bornstein@unibas.ch