16. Feb. 2022

“Man muss dem Patienten zuhören” sagt Prof. Dr. Ronald Jung

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Marion Gredig

Als ich Professor Dr. Ronald Jung an diesem Dezembertag zum Interview an der Plattenstrasse treffe, schneit es draussen und die Häuser und Strassen sind hübsch für Weihnachten dekoriert. Jung ist gerade zurück aus New York: «Ich hatte bei der The Greater New York Academy of Prosthodontics einen Hauptvortrag— das hat mega Spass gemacht», erzählt er und entspricht so sofort der Beschreibung der offiziellen Mitteilung der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin, denke ich. Dort schreiben seine Kollegen: «Rony Jung ist ein hervorragender Forscher, Wissenschaftler und Zahnarzt sowie ein umgänglicher Mensch.» Von dieser Umgänglichkeit kann ich mich während unseres Gesprächs bestens überzeugen.

Jung der Zürcher
Nach einem fast zweijährigen Bewerbungsverfahren wurde Jung zum ordentlichen Professor für Rekonstruktive Zahnmedizin ernannt und übernimmt seit Anfang Februar 2022 die Nachfolge von Professor Hämmerle. Für Jung, den Zürcher, eine riesige Freude, dass er hier, an seiner Heim-Uni an der Spitze sein kann. «Ich bin ein Enthusiast und extremer Team-player, der seine Zufriedenheit zu 98 % aus der Zufriedenheit der anderen bezieht.»

Enthusiasmus und Teamwork
Seine Ansprüche sind hoch. Er möchte, dass die Patienten mit einem sehr guten Eindruck und Erlebnis nach Hause gehen. Die bestmögliche Therapie mit dem Maximum an Empathie, lautet seine Devise.
 «Trotz oder wegen meiner langjährigen Erfahrung bin ich sicher einer der Zahnärzte, der am meisten Zeit in ein Vorgespräch mit dem Patienten investiert. Denn das lohnt sich immer! Sobald der Patient weiss, dass man seinen Wunsch richtig verstanden hat, kann aus der Beziehung Behandler/Patient ein Teamwork entstehen


Mit Enthusiasmus, Optimismus, Authentizität und ganz viel positiver Energie leitet Prof. Dr. Ronald Jung seit Anfang Februar die Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin Zürich ZZM.

Unprofessionalität? Ein No-Go!
Ein totaler Optimist, frage ich? Ja, das treffe zu, sagt der sympathische Prothetiker und Implantologe. «Ich bin authentisch, und habe wohl auch darum so einen grandiosen Support von überall auf der Welt. Und ich bin stolz, dass ich sagen kann, dass ich keinen Karriereschritt auf Kosten einer anderen Person gemacht habe.»
Jung strahlt Power, Zuversicht aus. Gibt es denn auch etwas, das in aus der Ruhe bringt, ihn sogar verärgern kann, nimmt mich Wunder? «Doch, das gibt es. Unprofessionalität vertrage ich schlecht. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass Termine ‘untergehen’, oder Patienten nicht zufriedenstellend behandelt werden konnten, dann ärgert mich das schon.»

Fussballer? Orthopäde? Zahnarzt!
Jungs Karriere entsprang nicht etwa einem Plan oder Bubentraum. Der Familienvater sagt, er kann sich für vieles Begeistern, vieles sei auch Einstellungssache. Zur Zahnmedizin kam er auf Umwegen. Denn zuerst wollte er Architekt werden. Dann hat er so gut Fussball gespielt, dass er bei GC unter Vertrag genommen wurde. Er spielte 12 Jahre beim Grasshopper Club Zürich durch alle Juniorenteams bis zum Unfall.
«Ich hatte einen schweren Schien-Wadenbeinbruch und jetzt fehlt immer noch 15 cm vom Wadenbein. Ich wurde 5 mal operiert, da kam mir der Gedanke, nicht nur horizontal in OPs zu liegen, sondern selbst zu operieren», sagt Jung mit einem Schmunzeln. Und so begann er das Medizinstudium, mit dem Ziel Orthopäde zu werden. Die Zähne, das Gewebe haben ihn dann aber doch mehr interessiert und nun ist der Zahnarzt Professor.

Neubau in Hottingen
Aber seiner ersten Liebe, der Architektur wird Prof. Jung in seiner neuen Funktion als Klinik-Direktor auch nachgehen können. Denn die Sitzungen zur Planung des neuen ZZM Gebäudes auf dem Areal des heutigen Kinderspitals laufen auf Hochtouren. Da ist Jung gefordert. Er muss visionär denken. Sich vorstellen können, was in acht oder zehn Jahren, wenn der Umbau fertig ist, in der Zahnmedizin an Infrastruktur gebraucht wird. Es wird kaum so sein, dass man Geräte von der Plattenstrasse nach Hottingen mitnimmt. Auf dem neuen Areal wird eine supermodere Zahnmedizinische Uni gebaut. Aus den multiplen Gebäuden des jetzigen Kinderspitals soll eine grosszügige architektonische Lösung entstehen. Der Neubau gliedert sich in die parkähnliche Umgebung ein und ist geprägt von einem Innenhof, der üppig begrünt sein soll. Ein hochmodernes Gebäude mit Wohlfühlcharakter.

Der Zahnarzt von Morgen
«Ja, auf den Neubau freuen wir uns natürlich sehr! Für mich ist klar, dass es nicht nur neue Geräte geben wird, auch der Beruf Zahnärztin/Zahnarzt wird sich ändern. Ich denke, jeder Zahnmediziner wird tun, was sie/er am Besten kann. Das heisst nicht, dass wir nur SpezialistInnen brauchen, sondern, dass der Zahnarzt wieder mehr als Mediziner arbeitet und biologischer und medizinischer wird. Die anderen Dinge können von anderen Fachrichtungen ausgeführt werden. Wie zum Beispiel von der Zahntechnikerin. Diese hat einen festen Bestandteil in dieser Kette, wenn man die Opportunität richtig nutzt. Zum Beispiel könnte die Technikerin einen Bereich der Datenerfassung wie auch der Abdrucknahme übernehmen», prognostiziert der charismatische Professor und formuliert das Ziel, dass die Patientin zukünftig eine noch bessere und personalisiertere Lösung bekommt. Auch moderne Tools wie Konsultationen mit der Handykamera mit speziellen Aufsätzen, eine Art Tele-Dentistry und Face-Scans werden zukünftig einen wichtigen Anteil haben. «Ein Teil der heutigen Datenerfassung in der Praxis wird sich verlagern einerseits in eigentliche Scan Centers oder sogar nach Hause mit den grossen Möglichkeiten der heutigen mobilen Techniken. Der Zahnarzt von Morgen wird medizinischer und weniger mechanisch
 

«Ich bin Enthusiast und ein extremer Teamplayer, der viel Zeit in jedes Vorgespräch investiert”, hat Prof. Jung Marion Gredig verraten.

Big Data
Die Daten und Datenerfassung werden einen grossen Faktor in der Zukunft spielen. «Daten sind das neue Geld», glaubt Jung und ergänzt, dass aber gerade wegen oder trotz dem Einzug der Digitalisierung, die Kommunikation immer wichtiger wird. «Man muss dem Patienten zuhören».

Touching communication
Als Beispiel erzählt Jung von einer Frau in Holland, welche ein «Augmented reality Mock-up» erhalten hatte. «Die Veneers sahen gut aus, die Lachlinie stimmte. Aber die Patientin war damit todunglücklich. Weil man sie und ihre Wünsche nicht in die Behandlung einbezogen hatte. Touching communication ist so wichtig! Es braucht bei grösseren Arbeiten einfach ein Mock-up, das der Patient im Mund tragen kann. Am besten lässt man den Patienten damit nach Hause, damit er es richtig spüren kann, mit den Lippen, mit allen Sinnen. Erst wenn der Patient rundum happy ist, wird mit der rekonstruktiven Arbeit begonnen

Miteinander reden!
Die Digitalisierung biete gute Möglichkeiten, aber das Menschliche, das Physische dürfe nicht vergessen gehen. Mit dem Bild der Halb-Götter in Weiss kann der neue Klinikleiter nichts anfangen. Er möchte auf Augenhöhe mit den Patienten sein, zusammen etwas Schönes kreieren, ein Lächeln verbessern, Selbstwert für Patienten generieren.

Dental Robotics und Dental e-health
Was wird sich denn an der Plattenstrasse unter seiner Führung ändern? Wird etwas anders gehandhabt, welche Schwerpunkte werden neu gesetzt will ich wissen? «Zwei Schwerpunkte werden Dental Robotics und Dental E-Health sein. Die Automatisierung spielt heute und in Zukunft in allen Branchen eine grosse Rolle. In der Zahnmedizin sind wir sehr gut aufgestellt, was die Daten-Akquisition, die digitale Diagnostik und das CAD/CAM-Herstellen anbelangt, aber die Umsetzung der Diagnostik in den Patienten findet immer noch so statt wie vor 50 Jahren. Wir müssen auch hier grosse Fortschritte machen und Dental Robotics wird uns zusammen mit der besseren Kenntnis des Patienten via Dental e-health helfen, diese neuen Ziele zu erreichen.»

Mit positiver Energie in die Zukunft
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Zum Abschluss des herzlichen Gespräches frage ich Jung, worauf er sich bei seiner neuen und prestigeträchtigen Herausforderung am meisten freut: «Ich habe so viel Energie, die ich auf die Strasse bringen will, um die Zahnmedizin national und international nachhaltig nach vorne zu bringen. Darauf freue ich mich riesig!» Diese positive Energie, diese findet nicht nur auf dem Papier statt. Rony Jung, der neue Direktor der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin am ZZM Zürich, strahlt sie förmlich aus. Und ich bin sicher, alle werden sich von seinem Optimismus und seiner Positivität gerne anstecken lassen. Ich danke Rony Jung für das Interview und wünsche ihm von Herzen einen guten Start! Auf dem Heimweg schlage ich im Online-Duden aus Neugier Synonyme zu «Positiv» nach. Da steht: vorteilhaft, zukunftsorientiert, aufgestellt, wünschenswert, erfreulich. Das passt, denke ich, und reise weiter durchs Schneegestöber.

www.zzm.uzh.ch

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Marion Gredig
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