23. März 2022

Feierlicher Abschied von einer Legende – Farewell Symposium für Prof. Dr. Christoph Hämmerle

haemmerle_standing_ovations_web
Carmen Bornfleth

Die Kongresseröffnung übernahmen Prof. Dr. Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, und Prof. Dr. Thomas Attin, Vorsteher des Zentrums für Zahnmedizin. «Prof. Dr. Hämmerle hat massgeblich dazu beigetragen, dass die Universität Zürich zu den internationalen Top-Adressen gehört. Wir landeten im letzten Jahr im weltweiten Ranking auf Platz 11. Den Grundstein dafür hat Prof. Hämmerle gelegt», richtete Prof. Beck Schimmer ihre Worte an die Hauptperson des Tages. Prof. Hämmerle kam vor über 20 Jahren von Bern nach Zürich – und ist geblieben. Er hat dabei nicht seine Erkenntnisse aus Bern auf Zürich übertragen, sondern hat das Beste aus beidem genommen. Dies hat dazu geführt hat, dass das ZZM Zürich international wahrgenommen wurde, aktuell mit über 60 Universitäten auf allen Kontinenten zusammenarbeitet und in Zürich seit Jahren Gastzahnärzte aus der ganzen Welt willkommen sind. «Er hat seinen Fachbereich so aufgestellt, dass er sich keine Sorgen machen muss, dass das Zentrum Kauprobleme bekommt, wegen der Lücke, die durch ihn entsteht. Das ist präventiv rekonstruktive Zahnmedizin in seiner besten Form», formulierte Prof. Beck Schimmer mit einem Schmunzeln.
Prof. Dr. Attin, der die letzten 16 Jahre mit Prof. Hämmerle zusammengearbeitet hat, bezeichnet ihn als zuverlässigen Partner, Kollege und Freund. Er verfügt über hervorragende zahnärztliche Fähigkeiten und agiert stets mit viel Leidenschaft für seinen Beruf. Hämmerle handelte stets zukunftsorientiert und neben der Studentenausbildung waren ihm die Weiterbildung der Assistentinnen und Assistenten immer sehr wichtig. Mit viel Energie und Passion war er über Jahre hinweg in führender Rolle in verschiedenen Fachgesellschaften aktiv. Auch die innovative Online-Plattform «Dental Campus» für die strukturierte Ausbildung in der Implantologie mittels moderner Web-Technologie ist unter seiner Initiative und Führung entstanden.


Prof. Hämmerle (Mitte) mit Prof. Hürzeler (links) und Prof. Dr. Daniel Thoma.

Bekannte Wegbegleiter als Referenten
Das Symposiums-Programm hatte Prof. Hämmerle selbst zusammengestellt. Es sei ihm schwergefallen, eine Auswahl zu treffen. Er habe sich aber bewusst für Referenten von ausserhalb des Zentrums entschieden, dafür für Fachexperten, die ihn in seiner Laufbahn begleitet haben. Die Kollegen der Universität Zürich fungierten als Moderatoren.
Prof. Dr. Daniel Thoma war es, der zum Programm überleiten durfte und sich begeistert zeigte ob der grossen Teilnehmerzahl – so viele Freunde aus der ganzen Welt. Los ging es mit dem aktiven Vortrag von Prof. Dr. Markus Hürzeler aus München. Er sprach über Behandlungsstrategien für «fixed prosthodontics» Für Patienten ist festsitzender Zahnersatz grundsächlich ein Albtraum. Das Image ist schlecht – zu teuer, zu schmerzhaft und vor allem dauern Implantattherapien noch zu lange. Das ist nicht das, was Patienten wollen.
«Wir brauchen Implantate, aber die Konzepte haben sich geändert. Unsere Patienten wünschen sich vereinfachte Behandlungsstrategien, dadurch wird es aber für uns Behandler komplizierter, denn es drohen technische, biologische und ästhetische Komplikationen.» Ziel muss es deshalb sein, in einer Session möglichst viel und gleichzeitig zu erledigen. Das Platzieren des Implantats ist der geringste Zeitaufwand. Bei Prof. Hürzeler wird alles in zwei Sessions erledigt – nach sechs Wochen bekommen seine Patienten die finale Krone. Ein zentraler Punkt in seiner Herangehensweise sind die so genannten patient-related outcome measures (PROMs): «Ich habe immer den Patienten im Fokus, seine Wünsche sollen erfüllt werden.»


Prof. Hämmerle mit dem akademischen Team: OberärztInnen, AssistenzzahnärztInnen.

Präsenz- und Online-Referate
Prof. Dr. Lyndon F. Cooper, Universität Illinois Chicago, USA, wurde im Anschluss zugeschaltet – sein Thema «Behandlungsstrategie der herausnehmbaren Prothetik». Er stellte digitale Technologien vor – von der Diagnostik bis hin zum gedruckten oder gefrästen digitalen Zahnersatz. Herausnehmbarer Zahnersatz bleibt ein wichtiger Bestandteil des prothetischen Erfolgs. Die digitale Technologie hat bereits teilweise die Therapie mit abnehmbaren Prothesen verbessert.
Weiter ging es mit dem Thema «Materialauswahl. Was als zwei Einzelvorträge von Prof. Irena Sailer (Genf) und Dr. Stefano Gracis (Mailand) angekündigt war, zeigte sich als brillanter Teamvortrag mit Diskussionsbedarf, aber dennoch einer gemeinsamen Quintessenz.Doch zunächst richtete sich Prof. Sailer an ihren Mentor, früheren Vorgesetzten und Freund Christoph Hämmerle. Irena Sailer war von 1998 bis 2013 am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich tätig. Von Prof. Hämmerle habe sie sehr viel gelernt und viel gemeinsam mit ihm erlebt. Denn er war mehr als ein Vorgesetzter, gemeinsam wurden viele Herausforderungen angenommen. «Wir haben viel studiert, diskutiert und Du hast uns gelernt, was es heisst, Teamplayer zu sein. Wir haben von den Besten gelernt, interdisziplinär gehandelt und das auf dem höchsten ästhetischen Niveau.»
Sailer und Gracis sind sich einig, dass sich für die Herstellung von Einzelkronen alle keramischen Materialien so zuverlässig wie Metallkeramik erwiesen haben. Glasmatrixkeramiken ermöglichen es dem Operateur konservativer zu sein und haben das höchste ästhetische Potenzial. Allerdings fehlen noch weitreichende klinische Beweise für die Verwendung von monolithischen Zirkonoxiden. Metallkeramik ist für prothetische Versorgungen als Ersatz für fehlende Zähne, Verblockung mehrerer Glieder oder dunkle Abutments nach wie vor eine optimale Lösung.


Von links: Stefano Gracis, Markus Hürzeler, Irena Sailer, Christoph Hämmerle und Thomas Attin.

Rückblicke und Ausblicke
Zum Nachmittagsprogramm begrüsste nach der Mittagspause Prof. Dr. Ronald Jung, der neue Klinikdirektor und damit Nachfolger von Prof. Hämmerle. Der folgende Vortrag befasste sich mit der gegenwärtigen Rolle der GBR für die Patientenversorgung und ihre Zukunftsaussichten. Virtuell war dafür Top-Experte Prof. Dr. Christer Dahlin, der Pionier der Guided Bone Regeneration (GBR), aus Göteborg zugeschaltet. Er gab einen Rückblick auf die Geschichte und auf wissenschaftliche Studien zur Thematik, wo die Universität Zürich mit Prof. Hämmerle, PD Dr. Goran Benic u.a. eine entscheidende Rolle gespielt habe. Prof. Dahlin lobte auch das grosse Engagement und die Disziplin, mit der Prof. Hämmerle neben seiner tragenden Rolle als Klinikdirektor von 2003 bis 2015 sehr erfolgreich und zuverlässig Präsident der Osteology war.
Als nächster Wegbegleiter sprach Dr. Rino Burkhardt über klinische Herausforderungen in der Behandlung von parodontalem und periimplantärem Weichgewebe. Ein imponierender Zeitstrahl gab den Blick frei auf die Entwicklungsphasen in der Behandlung von Parodontitis und Periimplantitis – angefangen zum Zeitpunkt der Graduation von Christoph Hämmerle im Jahr 1982 bis heute. Da hat sich einiges getan. Heute sind die Techniken technologisch ausgereifter, Minimalinvasivität, Tissue Engineering und Digital Dentistry sind nur einige der aktuellen Schlagworte.
Ganz persönliche Worte richtete Dr. Burkhardt an Prof. Hämmerle: «Unsere Kreativität geht Hand in Hand, seit wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Ich habe sehr viel von Dir gelernt – auch aus unseren Diskussionen. Du warst und bist meine Hauptinspiration.»


Ein Blick in die Industrie-Ausstellung.

Wichtiger Einfluss auf die Entwicklung der Zahnmedizin
Online zugeschaltet war als nächstes aus Belgien, Prof. Dr. Marc Quirinen. Er stellte alle denkbaren Einsatzmöglichkeiten von PRF in der oralen Geweberegeneration vor. Als langjähriger Freund von Prof. Hämmerle erinnere er sich gerne an die bei der EAO gemeinsam verbrachte Zeit. Er dankte Hämmerle für die fantastische Leistung des Zürcher Teams und betonte den wichtigen Einfluss auf die Entwicklungen in der Zahnmedizin.
Nach der Kaffeepause wurde ein weiterer Experte aus Göteborg zugeschaltet und von PD Dr. Nadja Nänni als Moderatorin gegrüsst. Prof. Dr. Tord Berglundh, der es wie die anderen virtuellen Referenten bedauerte nicht in Zürich sein zu können, dankte in seiner persönlichen Laudatio dem «very special friend», Lehrer und Wissenschaftler. Er freut sich auf weitere gemeinsame Projekte, die bereits geplant sind.
Als Experte sprach er über den aktuellen Stand und Zukunftsperspektiven bei der Prävalenz der Periimplantitis. Der Blick in die Zukunft offenbart, dass trotz Periimplantitis Implantate einzigartig und hilfreich sind, da die Situation vor Implantaten nicht besser war. In Schweden sind 73’000 Implantate in 34’000 Patienten inseriert, alles ist dokumentiert und wird alle 24 Stunden aktualisiert. Das Alter der implantattragenden Patienten hat sich seit 10 Jahren verschoben. Auch die Anzahl der Implantate hat sich geändert, Einzelimplantate nehmen zu.

Periimplantitis richtig behandeln
Die Behandlung von Periimplantitis war das Thema von Dr. Mario Roccuzzo aus Turin. Die Erfahrung zeigt, dass richtig platzierte Implantate weniger biologische Komplikationen aufweisen als schlecht platzierte. Und eine erfolgreiche Behandlung der Periimplantitis ist bei korrekt positionierten und versorgten Implantaten besser vorhersagbar. Dennoch gilt zu beachten, dass die Osseointegration einfach ist, die Weichgewebsintegration schwierig und die langfristige Pflege kompliziert.

Big Data, KI & mehr
Die letzte Session wurde eingeleitet von Prof. Mutlu Özcan. Sie stellte Prof. Christian Stohler von der Columbia University in New York vor, der über die Prothetik der nächsten Generation sprach – datengetrieben, wertebasiert und personalisiert. In den Universitäten hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges geändert – und weitere weitreichende Veränderungen werden folgen. Eine Vision der nahen Zukunft ist es, dass Big Data und künstliche Intelligenz in Forschung, klinischen Betrieb und Lehre Einzug halten werden. Auch in der Weiterbildung wird sich einiges tun, Curricula werden sich ändern. Die Medizin ist im Wandel.

Abschiedsvorlesung als Universitäts-Professor
Als Highlight des Tages war es Prof. Dr. Dr. Christoph Hämmerle eine grosse Ehre, seinem Farewell Symposium mit seiner letzten Vorlesung als Universitäts-Professor einen gelungenen Abschluss zu geben. Er nahm das Plenum mit auf seiner Reise durch die letzten 20 Jahre an der Universität Zürich. Hämmerles Ziel war immer eine gelungene Kombination aus Forschung und Praxis. Exzellenz in der Lehre konnte nur in einem gut funktionierenden Team gelingen. Sein Schlüsselfaktor war, dass sich das Team als Ganzes in eine positive Richtung entwickelte. Die Kunst bestand darin, die Ziele des Einzelnen mit dem Ziel der Organisation in Einklang zu bringen. Vertrauen sei dabei am wichtigsten gewesen aber auch Teamgeist, Wertschätzung, Loyalität und Respekt. Dazu trugen auch Teambuilding-Events bei, da auch Erfahrungen ausserhalb der Arbeit wichtig waren.
Meilensteine der letzten zwei Jahrzehnte waren die Integration eines eigenen Labors, präklinische Phantomkurse, Spezialistenausbildungen, die Plattform Dental Campus, Scholarship-Programme, Center of implant research (CIR), die UZH Foundation und vieles mehr. Ein grosser Dank richtige Prof. Hämmerle zum Schluss an sein begeistertes Team: «Ich bin dankbar für die Zeit am UZH, es war sehr schön ein Teil vom Team zu sein. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg.» Diese emotionalen Worte führten zu Standing Ovations und schallenden Applaus, was dem Farewell Symposium einen runden Abschluss gab.

Ausblick
Ein Blick in die Kongress- und Fortbildungsprogramme verschiedener Anbieter zeigt, dass zwar die Universität in Zukunft auf Prof. Hämmerle verzichten muss, sein Wissen aber weiterhin national und international gefragt ist.
Seit dem 1. Februar 2022 ist Prof. Dr. Ronald Jung nun in die Fussstapfen von Prof. Hämmerle getreten – er ist der neue Klinikdirektor der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin Zürich ZZM.
Wir wünschen beiden den grössten Erfolg und Begeisterung bei allem, was sie in der nahen und fernen Zukunft erwartet.
 

Weitere Bilder gibt es hier

Text und Bilder: Carmen Bornfleth