24. Nov. 2022

Fachkräftemangel in der Zahntechnik

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Marion Gredig

Herr Zellweger, Sie sind Prüfungsexperte für die Lehrabschlussprüfung der Zahntechnikerinnen QV (Qualifikations-Verfahren). Gefällt Ihnen diese Aufgabe und seit wann beurteilen sie die Lehrabschlussarbeiten?
Roland Zellweger: Ja, sehr! Ich mache das nun schon seit elf Jahren.

Haben Sie in dieser Zeit schon das neue Ausnahmetalent à la Willi Geller entdeckt?
Roland Zellweger: So kann man das nicht sagen, aber es gab schon grosse Talente darunter. Aber was mir vor allem auffällt, ist die Differenz unter den Prüflingen betreffend Fachwissen. Leider sind es immer Lernende aus denselben Labors, die wirklich gut ausgebildet sind. Wogegen andere ein Manko haben. Das ist ein Riesenproblem, das wir an der Gewerbeschule spüren – aber auch an den Überbetrieblichen Kursen .

Erklären Sie doch bitte kurz, was Überbetriebliche Kurse sind?
Roland Zellweger: ÜKs sind praktische Kurse, die der Lehrling zusätzlich zur Gewerbeschule besu-chen muss. 33 Tage insgesamt, aufgeteilt in 9 ÜKs. Diese finden blockweise in Zug statt. Es handelt sich um keine Einführungskurse, sondern da sollte das Fachwissen vertieft werden.

Was kompliziert ist, wenn nicht alle Lernende das gleiche Basiswissen mitbringen.
Roland Zellweger: Ja, richtig. Viele wissen nicht, dass man schon etwas können muss, um daran teilzunehmen. Das macht es für den Referenten schwierig zu unterrichten. Die einen wissen, wie es geht und man kann die Materie vertiefen, die anderen machen es zum ersten Mal.

Wo sehen Sie konkrete Bildungs-Mankos bei den Lernenden?
Roland Zellweger: Beim Keramik-Schichten zum Beispiel fällt das sehr auf. Oder wenn es Auszubildende gibt, die mir sagen, sie hätten noch nie eine Prothese aufgestellt, aber bereits im dritten Lehrjahr sind. Das stimmt mich dann schon nachdenklich.

Diesen Sommer haben in der gesamten Schweiz 41 ZahntechnikerInnen die Lehre abgeschlossen. Wenn ich das richtig sehe, dann hat es zwei Probleme: Es hat nicht nur zu wenig Lernende, sondern sie sind auch teils nicht ausreichend ausgebildet?
Roland Zellweger: Ja, definitiv das ist so. Ich nehme Prothetik und Festsitzende Arbeiten an der Prüfung ab und sehe da leider Riesenunterschiede.

Gibt es denn keinen Prüfungskatalog, an den sich die Lehrbetriebe halten können, damit alle dann auf dem gleichen Level sind?
Roland Zellweger: Doch. Und so ein Ausbildungsprogramm wird zum Lehrbeginn an die Labors verschickt und soll von diesen dann auch eingesehen werden.

Als ich die Zahntechnische Lehre abgeschlossen habe – ich gebe zu, das ist ein paar Jahre her – war das geforderte Prüfungswissen etwa 1/3 Theorie 2/3 Praxis. Wie sieht das denn heute aus?
Roland Zellweger: Da ist der Lehrplan noch gleich würde ich sagen. Die praktische Abschlussarbeit QV dauert 32 Stunden. Und in dieser Zeit gibt es drei mündliche Prüfungen.

Auch ist die Zahntechnik digitalisiert worden. Wieviel ist bei Ihnen heute im Labor noch analog?
Roland Zellweger: Ich würde sagen etwa 60 % ist analog. Um ein Veneer, einen Frontzahn herzustellen braucht es handwerkliches Know-how. Aber Sie haben natürlich recht, der digitale Anteil wird jährlich grösser. Aus unternehmerischer Sicht ist es wichtig, zu investieren und die digitalen Tools zu nutzen. Ich habe gerade eine neue Fräsmaschine bestellt, die kostet 95 000 Franken.

Das muss sich auch amortisieren.
Roland Zellweger: Ja und dabei wird verlangt, dass die Produkte immer günstiger werden. Das ist eine schwierige Entwicklung. Wir müssen aufpassen, dass wir mit den Preisen nicht dumpen, wie das jetzt schon Industrie-Labors tun. Wenn wir anfangen, die Preise so zu senken, können die Infrastruktur und die gut ausgebildeten Fachkräfte nicht mehr bezahlt werden.

Inwiefern spüren Sie da diese Konkurrenz?
Roland Zellweger: Seit Industrie-Labore da sind, stelle ich ganz klar fest, dass wir die einfachen Arbeiten, wie Seitenzahnkronen nicht mehr so oft bekommen, sondern meist nur noch die komplexen, aufwändigen Fälle. Wo es Beratung braucht oder dass Jemand in der Praxis vorbeikommt. Natürlich werden diese schwierigen Fälle teurer verrechnet als eine Seitenzahnkrone. Aber der Preisunterschied kompensiert den Aufwand nicht. Mit den einfachen Kronen machte man früher den guten Umsatz. Einen komplizierten Frontzahn muss man vielleicht zweimal machen.

Sie selbst bzw. Ihr Labor bildet auch Lernende aus?
Roland Zellweger: Ja, sogar am meisten im ganzen Kanton Aargau. Ab nächstem Sommer haben wir vier Lehrstellen besetzt.

Welche schulischen Voraussetzungen braucht es denn für eine Zahntechnische Lehre?
Roland Zellweger: Die Sekundarschule oder die Bezirksschule. Gerade bei Bezirksschülerinnen merkt man, dass diese viel besser in der Gewerbeschule sind. Einmal hatte ich eine Lernende, welche die Berufsmatura gemacht hat. Obwohl bei ihr dann die Ausbildung einen höheren theoretischen Teil hatte, hatte sie doch eine der besten Abschlüsse gesamthaft.

Die Anzahl der Zahntechnischen Lernende bewegt sich in der Schweiz pro Jahrgang im zweistelligen Bereich. Gewerbeschulen wurden gar geschlossen. Die Lehre dauert vier Jahre, im Vergleich zu anderen Ausbildungen ist das lang. Der Beruf scheint nicht sonderlich begehrt zu sein?
Roland Zellweger: Das trifft zu und ich glaube es wird in Zukunft weniger Zahntechniker brauchen.

Weniger ZahntechikerInnen brauchen? Nicht geben? Ist das Ihre Prognose?
Roland Zellweger: Ja, das denke ich. Weniger, aber dafür besser ausgebildete Fachkräfte. Gerade auch die Kommunikation ist heute wichtiger denn je und findet auf Augenhöhe mit den ZahnmedizinerInnen statt. Mittlerweile bin ich nicht mehr jünger als meine Kunden und diese sind meist auch froh, dass ich etwas Erfahrung habe.

Es braucht also definitiv gut ausgebildete ZahntechnikerInnen?
Roland Zellweger: Absolut!

Wie kann denn dem Fachkräftemangel in der Branche entgegengewirkt werden? Ein hoher Prozentsatz der jungen Menschen, welche eine zahntechnische Lehre abgeschlossen haben, bleiben nicht auf dem Beruf.
Roland Zellweger: Das ist schade. Für mich sind die Mitarbeiter das Wichtigste. Das sollte man auch zeigen. So offeriere ich zum Beispiel gleitende Arbeitszeiten, um den Arbeitsplatz attraktiver zu machen und zahle auch Löhne, die über dem vorgegebenen Mindestlohn von CHF 4 000.– liegen. Und ich investiere in die Ausbildung. Nur mit gut ausgebildeten Fachkräften kann ich ein erfolgreiches Labor sein. Die Wertschätzung ist für die Mitarbeiter sicher eine Motivation, um auf dem Beruf zu bleiben.

Vielen Dank fürs Interview, Herr Zellweger! Ihnen weiterhin alles Gute und den Lernenden natürlich viel Freude und Spass an der Zahntechnik!

www.vzls.ch