22. Dez. 2022

Zwischen internationalen Patienten und ukrainischen Flüchtlingen

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Fatori

Frau Dr. Dr. Fatori, haben Sie durch die ukrainische Sprache nun auch mehr ukrainische Flüchtlinge zur Behandlung in Ihrer Praxis?
Dr. Dr. Fatori: Ja, tatsächlich stellen wir vermehrt Anfragen von Patientinnen und Patienten aus der Ukraine fest, welche meine Praxis aufsuchen möchten, um mit Kollegin Burlaka in ihrer Landessprache zu kommunizieren. Ich spreche leider kein Ukrainisch und Kollegin Burlaka ist dann natürlich eine grosse Hilfe – auch in persönlichen Fragen und Anliegen, aber dazu gleich noch mehr.

Werden Ihnen denn dadurch auch ukrainische Flüchtlinge vom Amt zugewiesen?
Dr. Dr. Fatori: Ja.

Wie sieht das konkret aus – auch in Hinblick auf die Abrechnung?
Dr. Dr. Fatori: Wir haben unsere zahnärztliche Hilfe bei der Help-line Ukraine, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD, Staatssekretariat für Migration SEM angeboten. Flüchtlinge erhalten in der Schweiz einen bestimmten Flüchtlingsstatus, im konkreten Fall den Status «S». Vom AOZ (Asyl Organisation Zürich) erhalten wir sehr unbürokratisch und zeitnah Kostengutsprachen für Notfallbehandlungen. Wir halten uns dabei an den geltenden Dentotar Tarif für Notfallbehandlungen, welche wirtschaftlich und zweckmässig auszuführen sind. Dabei stehen insbesondere Zahnextraktionen und Zementfüllungen im Vordergrund, aber auch kieferorthopädische Notfälle, wie gelöste Drähte, die Weichteile verletzen können. Wir beobachten bei den Flüchtlingen in den letzten Monaten auch vermehrt intraorale Abszesse und Pulpitiden. Wir pflegen die Zusammenarbeit mit dem AOZ, da wir auch schon vor den ukrainischen Flüchtlingen viele Menschen in Not aus vielen Teilen der Welt behandeln durften und so ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben.  

Welche Erfahrungen machen Sie mit Geflüchteten in der Praxis?
Dr. Dr. Fatori: Grundsätzlich erfahren wir Dankbarkeit und eine gewisse Erleichterung. Es kommt selten vor, dass wir z. B. auch einmal erklären müssen, dass ästhetische Behandlungen nicht möglich sind. Die PatientInnen, die bei uns vorstellig werden, sind häufig durch die Flucht traumatisiert. Seelischer Schmerz, traumatische Erlebnisse und eine ungewisse Zukunft in Kombination mit Zahnschmerzen kann auch sehr emotionale Momente hervorrufen, wo man als Zahnärztin auch psychologisch gefordert wird.

Ein toller sozialer Einsatz. Haben Sie sich schon vorher in humanitären Organisationen und internationalen Projekten engagiert?
Dr. Dr. Fatori: Vielen Dank! Ja, tatsächlich habe ich verschiedene Dolmetscher-Einsätze für humanitäre Organisationen in Thüringen in Deutschland absolviert. Damals ging es um die Traumabewältigung geflüchteter Menschen vom Balkan. Zusätzlich habe ich beim Deutschen Landeskriminalamt als Übersetzerin gearbeitet. Grundsätzlich engagiere ich mich nebst der zahnärztlichen Tätigkeit in meiner Praxis ebenso in der wissenschaftlichen Forschung und Gremien, aber auch für humanitäre Projekte. Besonders am Herzen liegt mir aber das Mentoring wie auch die Förderung junger, talentierter Zahnärztinnen.

Wie viele Sprachen sprechen Sie zusammen mit Ihrer Kollegin?
Dr. Dr. Fatori: Ich spreche Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch, Serbo-Kroatisch und Russisch.
ZÄ Burlaka: Ich spreche Englisch, Deutsch, Spanisch, Ukrainisch und Russisch.

Das ist eine Menge. Hat das Einfluss auf Ihre Patientenstruktur?
Dr. Dr. Fatori: Ich betreibe seit 17 Jahren meine eigene Zahnarztpraxis im Zürcher Kreis 3. Mir ist schon bei der Eröffnung aufgefallen, dass es im Umkreis zahlreiche Grosskonzerne gibt, die internationale Arbeitnehmer beschäftigen. Zürich ist bekanntlich eine Weltmetropole und ein Magnet für viele ausländische Arbeitnehmende. Diese Expats  suchen häufiger Kontakt zu mehrsprachigen Zahnarztpraxen. Wir beobachten, dass wir gerade durch die guten Fremdsprachenkenntnisse neben unseren deutschsprachigen PatientInnen einen hohen internationalen Anteil behandeln dürfen.

Frau Burlaka, haben Sie noch Familienangehörige in der Ukraine?
ZÄ Burlaka: Ja, Onkel, Tanten und Cousinen. Sie leben und arbeiten im Westen der Ukraine, nicht in der vordersten Schusslinie und Dank Internet stehen wir immer miteinander in Kontakt.

Sie haben in Spanien an der Universität Madrid Complutense Zahnmedizin studiert. Sicherlich können Sie etwas dazu sagen, wie die Zahnversorgung in der Ukraine ist im Vergleich zur Schweiz oder der EU?
ZÄ Burlaka: Wir leben heute in einer sehr globalisierten Welt, es gibt hervorragende Zahnärzte, in der EU, hier in der Schweiz und auch in der Ukraine. Der wesentliche Unterschied zwischen der Schweiz und der Ukraine ist, dass in der Schweiz minimalinvasiver behandelt wird. Eine Indikation zur Überkronung wird in der Schweiz sehr streng gestellt. In der Ukraine werden mehr prothetische Behandlungen wie Kronen und Prothesen durchgeführt. Recall-Systeme wirken hier sehr gut im Vergleich zu Spanien oder zur Ukraine.

Spüren Sie, dass die ukrainischen Patienten mehr Vertrauen zu Ihnen haben?
ZÄ Burlaka: Es ist nicht die Sache des Vertrauens an sich, sondern sie sind dankbar in einem fremden Land mit jemandem in ihrer Muttersprache zu kommunizieren und im Endeffekt auch besser mit ihren Anliegen verstanden zu werden. Viele PatientInnen mussten mit noch nicht abgeschlossenen Behandlungen aus der Ukraine fliehen. Ihre Situation ist leider noch ungewiss und zweifelsohne stressbehaftet.

Was denken Sie, wie sich das weiter entwickeln wird?
ZÄ Burlaka: Die Politik ist unberechenbar und leider bleiben immer die urtümlichen Bedürfnisse der Menschen auf der Strecke. Ich wünsche mir Frieden, und zwar für jedes Land dieser Welt. Das ist ein Grundrecht aller Menschen.  Obwohl eine vermeintlich einfache Zahnbehandlung wohl nicht zum allgemeinen Weltfrieden beitragen kann, so ist es mir aber auch aus-serordentlich wichtig, genau über diese Zahnbehandlungen einen – wenn auch nur kleinen Teil – am Wohlergehen der Flüchtlinge aus der Ukraine, wie auch aller anderen PatientInnen zu leisten.

Wir wünschen Ihnen weiterhin Erfolg und zufriedene Patienten.

www.zahnaerzte-wiedikon.ch

Kontakt:
Zahnärzte Wiedikon
Dr. med. dent. Dr. med. Sandra Fatori
Zahnärztin und Ärztin
Zentralstrasse 2, 8003 Zürich