18. Aug. 20246. Jahrestagung der SGDMFR

Radiologisches Update aus der Forschung für die Privatpraxis

Am 5. Juni 2024 fand im Konferenzraum des Wankdorfstadions in Bern die 36. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Dentomaxillofaziale Radiologie (SDGMFR) statt. «Strahlenschutz – neu gedacht!» lautete das vielversprechende Thema des Tages.

36. SGDMFR Jahrestagung
Jasmin Temperli
Das Interesse am Programm der 36. Jahrestagung der SGDMFR war riesengross.

In ihrer Eröffnungsrede begrüsste die Präsidentin PD Dr. Dorothea Dagassan-Berndt die knapp zweihundert Teilnehmenden aus unterschiedlichen Fachgebieten vor Ort. Sie hielt anschliessend direkt den ersten Vortrag zum Thema «Aktuelles ‹Gefahrenpotenzial› durch zahnärztliches Röntgen – gibt es das noch mit der Digitalisierung?». Ihre Schlussfolgerung war, dass die Digitalisierung zu einer erheblichen Reduktion der Strahlenbelastung geführt hat. Dennoch haben die ionisierenden Röntgenstrahlen nach wie vor eine biologische Wirkung. Sie empfiehlt die Strahlendosis individuell für jede Indikation und jeden Patienten anzupassen. Durch die hohe Frequenz der Bilderstellung in der Zahnmedizin machen einfache Strahlenschutzmassnahmen wie Schutzschild und Rechteckblende auch bei einer geringen Dosis Sinn.
Prof. Dr. Andreas Filippi stellte den zweiten Referenten vor: Prof. Dr. Michael Bornstein fasste die radiologischen Richtlinien in der Schwangerschaft zusammen. In einer Notfallbehandlung sind alle zahnärztlichen Röntgenbilder (Einzelbilder, Orthopantomographie, digitale Volumentomographie) bei schwangeren Patientinnen legitim, sofern sie für die Therapie notwendig sind.

Keynote: Special issues of artefacts in CBCT

Dr. Matheus L. Oliveira aus Brasilien präsentierte auf Englisch viele Informationen und Bilder von Artefakten in der digitalen Volumentomographie. Er verglich Artefakte mit Fake News, welche wir erkennen und zu interpretieren wissen müssen. Die meisten Artefakte werden im DVT durch die Projektion von zwei in drei Dimensionen verursacht. Für die Bildqualität ist das Datenvolumen bzw. die Voxelgrösse entscheidend. Je grösser die Voxelgrösse, desto weniger Raum bleibt für Details und desto ungenauer wird das Bild. Je kleiner die Voxelgrösse eingestellt wird, desto höher wird die Bildschärfe und desto höher die Strahlenbelastung. Ein Artefakttyp im DVT wird durch «partial volume averaging» verursacht (Kühl et al. 2016). Dabei ist das radiologisch dargestellte Material kleiner als die eingestellte Voxelgrösse und wird deshalb in der Bildgebung nicht dargestellt. Ein bekanntes Beispiel für dieses Phänomen ist eine dünne Schicht von buccalem Knochen, welcher klinisch vorhanden, aber im DVT nicht dargestellt ist.
«Xray beam hardening» beschreibt die dunklen Löcher im DVT im Bereich von Metallen (Würfl et al. 2019). Sie werden durch das Abbremsen der Röntgenstrahlen bei Metallen verursacht. Zusätzlich projizieren sich Metalle mehrfach, so dass es zu weissen Artefakten bei der Bilddarstellung kommt (Candemil et al. 2018). Beim «Blooming effect» wird die Dichte zum Beispiel von Wurzelfüllungen nicht realitätsgetreu dargestellt (Celikten et al. 2019).
Im DVT ist auf die Graustufen kein Verlass. Unterschiedliche Dichten werden in den gleichen Graustufen angezeigt oder gleiche Dichten in unterschiedlichen Graustufen. Aufgrund der genannten Artefakte ist die zweidimensionale Bildgebung wie Einzelzahnröntgenbilder oder eine Panoramaschichtaufnahme für verschiedene Indikationsbereiche, wie zum Beispiel die Beurteilung einer Wurzelfüllung oder einer Periimplantitis, der dreidimensionalen Bildgebung vorzuziehen. Bei jungen oder älteren Patienten ist das Risiko für ein Artefakt durch Bewegung höher. Um solche Bewegungsartefakte so gut wie möglich zu vermeiden, ist es hilfreich, alle Patienten genau zu instruieren und über den Ablauf der digitalen Volumentomographie zu informieren.

SGDMFR Jahrestagung 2024 - 2
Jasmin Temperli

Präsidentin PD Dr. Dorothea Dagas-san-Berndt (Mitte) mit Jennifer Christensen und Matheus L. Oliveira.

Apps und Webseiten

Nach der Kaffeepause moderierte Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger den Vortrag von Prof. Dr. Andreas Filippi an. Er führte uns in die Welt der «Apps & Webseiten» für Radiologie und digitale Diagnostik. Es wurde die Applikationen «Curious Marie», «SunSmart Global UV», «CGM Röntgen Tutor» und andere vorgestellt. Besonders erstaunlich war die App «Anura – make a selfie, know your healthie». Die Funktionsweise und Anwendung demonstrierte der Referent zum Vergnügen aller Anwesenden direkt live.

Strahlenschutz aus Behördensicht

Die mentale Auflockerung war hilfreich für das nachfolgende, trockene, aber sehr wichtige Thema «Strahlenschutz aus Behördensicht – latest news» von Medizinphysiker Philipp Trüb vom Bundesamt für Gesundheit aus der Abteilung «Bewilligungen und Aufsicht im Strahlenschutz». Er lobte die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der SGDMFR und wies auch auf die Vernetzung mit den Behörden im Ausland hin. Zudem gab er zu, dass ihm der zusätzliche Aufwand durch administrative Arbeit, welche in den letzten Jahren stark zugenommen hat, auch keine Freude bereite, aber von unserer Gesellschaft so erwartet wird. Die wichtigste Neuigkeit ist der Fakt, dass seit diesem Jahr für alle in der Zahnmedizin angewandten Bildgebungen (auch Panoramaschichtaufnahme, Fernröntgenbild und digitale Volumentomographie) die Röntgenschürze weggelassen werden kann. Wichtig ist auch die seit einem Jahr bestehende Fortbildungspflicht für das ganze Praxisteam.

Patientenschutzmittel

PD Dr. Valérie Suter führte mit dem Titel «Patientenschutzmittel – Sicht der SGDMFR» das Thema gleich weiter. Sie wies die Teilnehmenden nochmals darauf hin, in der eigenen Praxis die Einstellungen der Röntgengeräte zu prüfen und besonders bei Kindern die Dosis zu reduzieren. Eine Verringerung der Strahlendosis kann zum Beispiel auch dadurch erreicht werden, dass bei der Panoramaschichtaufnahme nur eine halbe Umdrehung des Röntgengeräts ausgeführt wird. Sie empfahl den Schutzschild für die Schilddrüse für Einzelzahnbilder bei Kindern aber auch für OPT und DVT (Goren et al. 2013, Hidalgo et al. 2015, Pauwels et al. 2017, Candela-Juan et al. 2021).

Der Nachwuchswettbewerb

Das Nachmittagsprogramm startete mit dem Nachwuchswettbewerb, welcher von PD Dr. Dr. Heinz-Theo Lübbers moderiert wurde. Frau Dr. Kim Martin aus der Klinik für Oralchirurgie und Stomatologie der Universität Bern stellte souverän und überzeugend eine Studie zum Vergleich von digitalen Fernröntgenbildern im «Scan-Verfahren» und mittels «One-shot-Technik» vor. Das «Scan-Verfahren» zeigte eine grosse Auswirkung auf die Auswertung im Vergleich zur «One-Shot-Technik». Aus diesem Grund ist weiterhin die «One-Shot-Technik» dem «Scan-Verfahren» vorzuziehen.
Ihr Mitstreiter Dr. Bogomil Sabev der Universität Zürich beleuchtete eine vollständig digitale Occlusionsplanung für die orthognathe Chirurgie. Er wies der virtuellen Planung eine sehr hohe Genauigkeit nach. Eine Knacknuss aus dem Publikum war jedoch die Frage, ob die Arbeitssoftware für die Planung der orthognathen Chirurgie mit dem Programm «Onyx Ceph», welches für die kieferorthopädische Planung verwendet wird, kompatibel ist. Diese Frage musste der Bewerber leider mit «Nein» beantworten.
Der letzte Vortrag des Nachwuchswettbewerbs war von Dr. Hauke Hildebrand, der in einer selbst durchgeführten Studie die navigierte Endodontie mit der eines Spezialisten verglich. Die Trepanation des Zahnes bei Unterkiefer-Inzisiven bei der geführten Technik mit einer Bohrschablone im Vergleich zur Zugangskavität lingual der Schneidekante bei der Durchführung des Spezialisten führte im Plenum zu einer Diskussion und zum Fazit, die altbewährte Methode möglicherweise für die Zukunft zu überdenken.

SGDMFR Jahrestagung 2024 - 2
Jasmin Temperli

Die Preisverleihung des Nachwuchswettbewerbs.

Keynote: A new era in imaging

Der nächste reguläre Vortrag wurde mit den vielversprechenden Worten «A new era of imaging: ddMRI for visualization of third molars» angekündigt. DDS, Ph.D. Jennifer Christensen aus Aarhus in Dänemark zeigte in englischer Sprache eine inspirierende und vielversprechende Präsentation über eine neue Technologie der Magnetresonanztomographie, welche mit speziellen Sequenzen spezifisch für die Zahnmedizin relevante Strukturen darstellt. Sie zeigte anhand von Bildern, dass wir andere Dinge, zum Beispiel die Kaumuskulatur, Sehnen, Venen, die Speicheldrüsen oder den Nervus alveolaris inferior und den Nervus lingualis und ihre Lagebeziehung zu den unteren Weisheitszähnen sehen können. Das Publikum und die Dozentin waren sich jedoch einig, dass es vermutlich ein wenig Angewöhnungszeit benötigt, da alle Strukturen, wie zum Beispiel die Zähne im MRI schwarz und im Röntgenbild weiss, also genau umgekehrt, projiziert werden. Die elektromagnetischen Wellen haben dennoch das Potenzial, die Röntgenstrahlen in Zukunft zu ersetzen.

Quantensprung in der KFO

Der letzte Block nach der Kaffeepause wurde von Dr. Odette Engel geleitet. Sie begrüsste Prof. Dr. Dr. Rafael Patcas zum Thema «Integration der DVT-Bilder mit Intraoral-Scan: Quantensprung in der KFO oder unrechtfertigbare Strahlenbelastung?». Prof. Patcas hielt einen kritischen Vortrag zur Planung und Umsetzung von kieferorthopädischen Behandlungen anhand von Intraoralscans und digitalen Planungen. Humorvoll meinte er in Bezug auf die Anwendung des DVT in der Kieferorthopädie: «Der grosse Elefant im Röntgenraum bleibt die Strahlenbelastung.» Weiter zeigte er auf, dass bei der digitalen Registrierung der Zahnkronen und der virtuellen Planung eine Diskrepanz von ca. 1 mm zur Zahnwurzel nachgewiesen werden konnte (Zou et al. 2022). Er verwies auch auf die magere Evidenzlage und betonte, dass bei digitalen Planungen nur circa 25 Prozent der erwünschten Bewegung und anstatt der geplanten Translationsbewegungen klinisch mehr Rotationsbewegungen vonstattengehen. Aus diesen genannten Gründen bezeichnete er die digital geplante kieferorthopädische Behandlung als nicht vorbehaltlos umsetzbar.

Kinderzahnmedizin, KI und Preise

Danach dozierte Prof. Dr. Klaus Neuhaus der Universität Bern zur Frage: «Welche Bilder sind wann in der Kinderzahnmedizin indiziert?» Für die Empfehlung der Röntgen-Intervalle bei Kindern und Jugendlichen zitierte er die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde aus dem Jahr 1992. Mit Schalk betonte er, dass die Stellungnahme aus dem Jahr stammt, als Take That gegründet wurde und Bill Clinton als Präsident gewählt wurde. Diese Stellungnahme besagt, dass bei Kindern und Jugendlichen auf Röntgenbilder verzichtet werden soll, wenn klinisch keine Karies sichtbar ist. Das «Consensus Paper» der «Organization Of Caries Research» (ORCA) « «European Federation Of Conservative Dentistry» (EFCD) empfiehlt im Kinder-und Jugendalter maximal alle zwei bis drei Jahre Röntgenbilder. Die Empfehlung soll aber individuell auf den Patientencharakter modifiziert werden. Weiter betonte Prof. Neuhaus, dass in acht Jahren vom Kindes- ins Jugendalter, sowohl beim Patienten als auch in der Dentition, viel passieren kann und in dieser Zeit auch ein regelmässiges Recallintervall mit Bissflügelaufnahmen fortzuführen ist. Für die Entfernung der Weisheitszähne soll während des Wachstums die Orthopantomographie nicht älter als ein Jahr sein. Ein DVT soll nur dann durchgeführt werden, wenn zum Beispiel aus der klinischen Befundaufnahme keine Hinweise etwa auf die Lage eines retinierten und verlagerten Eckzahnes zu finden ist, das heisst, wenn er bukkal nicht tastbar ist. Prof. Neuhaus ist auch Fan der extraoralen «Bitewing»-Aufnahmen, welche mit dem «Orthophos»-Gerät von Sirona möglich sind (Dorsey et al. 2022).
Der letzte Vortrag war von Prof. em. Dr. Adrian Lussi, welcher zusammen mit seinem Sohn und einem zweiten ehemaligen ETH-Studenten die Firma Nostic AG gründete. Unter dem Titel «Karies-Diagnostik mit Unterstützung von KI» präsentierte er seine Software und zeigte Beispiele, wie mit der Unterstützung von der künstlichen Intelligenz unser Alltag zur Befundung von Bissflügel-Röntgenbilder vereinfacht werden kann.

Die Preisverleihung

Zum Abschluss fand die Preisverleihung des Nachwuchswettbewerbs statt. Dr. Kim Martin gewann vor Dr. Hauke Hildebrand und Dr. Bogomil Sabev. Es war ein informativer und erfolgreicher Tag für die SGDMFR.

Ausblick

Als Ausblicke wurden der DVT-Kurs am 25. und 26. Oktober und 29. und 30. November 2024 in Bern angekündigt. Die 37. Jahrestagung findet am Mittwoch, 21. Mai 2025 in Lugano statt.

www.sgdmfr.ch