Führungshärte hat noch nie geschadet – oder doch?
Sie könnten denken, dass der Begriff «Führungshärte» draussen im harten Wind der Wirtschaft durchaus vorkomme, jedoch ganz bestimmt nicht in Ihrer Praxis. In Ihrer glücklicherweise nicht – aber in der von Ihren Kollegen und Kolleginnen?!
Ich war erschüttert, als ich erfahren habe, dass in einer Zahnarztpraxis davon gesprochen wurde, eine Mitarbeiterin bei einem Feedbackgespräch bewusst (Zitat) «zu brechen», damit sie endlich einsichtig würde.
Der Inhaber nahm dazu wie folgt Stellung: «Ich meine es nur gut. Ich muss hart zu meinen Mitarbeitenden sein, damit sie etwas lernen. So wie auch mein Trainer hart zu mir sein musste, damit ich meine Bestleistung im Sport erreichte. Nur unter Druck kann man über seine Grenzen hinauswachsen.»
So die Meinung dieses Praxisinhabers, der sehr von sich selbst und seinem Führungsverhalten überzeugt war. Selbstsicher im Auftritt, ein sympathischer Mensch. Leider hatte er es mit einem schwierigen Team zu tun. Oder hatte es das Team mit einem schwierigen Chef zu tun? Jedenfalls klagte er über mangelnde Belastbarkeit und Resignation, die er in seinem Betrieb feststellte. Dabei bringe er so viel Energie und Motivation ein und das werde mit Undankbarkeit quittiert. So seine Wahrnehmung.
Und die Wahrnehmung des Teams?
Dieses hatte es mit einem Vorgesetzten zu tun, der unerreichbare Erwartungen an sie hatte, der regelmässig cholerisch reagierte, sie schonungslos kritisierte, für den Lob ein Fremdwort war, der laufend kontrollierte und Druck ausübte.
In den Augen des Chefs klang das ganz anders: Seine Ziele waren ehrgeizig, nur so kommt man zum Erfolg. Seine emotionalen Reaktionen waren authentisch und gehörten zu seiner Persönlichkeit. Seine Kritik war offen und ehrlich. Nicht geschimpft ist genug gelobt. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das war seine Haltung.
Wie sieht Führung aus?
Für diesen Zahnarzt war seine Art zu führen vielleicht so, wie er es gelernt hatte oder wie er selbst zum Erfolg gekommen ist. Er war sehr ehrgeizig und so führte er seine Mitarbeitenden weiterhin so hart, wie er es selbst erfahren hatte. Nur hat er nicht verstanden, dass nicht alle Menschen Spitzensportler sind wie er. Dass sie andere Bedürfnisse und Wertvorstellungen haben als er. Dass sie nicht alle die gleiche Belastungsgrenze haben wie er. Dass nicht jede(r) von ihnen Marathonläufer ist wie er.
Nach welchen Mustern und inneren Überzeugungen führen Sie Ihre Praxis? Natürlich kann man mit harter Führung viele Hard Facts und gute Resultate erreichen. Die Zitrone, genannt MitarbeiterIn, auspressen. Bis zum letzten Tropfen, bis nichts mehr geht, bis kein Saft mehr drin ist, nur noch die leere Hülle, Resignation genannt. Übertrieben? Will man Studien Glauben schenken, so haben bereits weit über 50 % der Arbeitnehmenden resigniert und machen als ausgepresste Zitronen nur noch Dienst nach Vorschrift.
Härte versus Herz
Es gibt in der heutigen Arbeitswelt zunehmend Menschen, die unter Druck leiden – und einige zerbrechen daran. Unternehmensgewinn oder Gesellschaftsgewinn? Wollen wir in Kauf nehmen, dass sich Menschen einem Burnout opfern, nur um Teil des Unternehmensgewinns zu sein? So wie es bei Arbeitskräften in gewissen Firmen der Fall ist, die wissen, dass die Arbeitsleistung über allem steht, auch über der eigenen Gesundheit. Mitarbeitende als Mittel. Punkt. Oder wollen wir lieber Mitarbeitende im Mittel-Punkt, weil ohne deren Produktivität unsere Betriebe nicht erfolgreich arbeiten können?
Es gibt Führungsstrategien, die hilfreicher sind: Beispielsweise bedürfnisorientierte Führung auf Augenhöhe. Bedürfnisorientiert meint, dass hier nicht nur meine Bedürfnisse als Chef(in) wichtig sind, sondern dass wir auch die Mitarbeiter-Bedürfnisse berücksichtigen. Wenn wir Härte gegen Herz tauschen, kann sich das Mitarbeiterpotenzial viel besser entfalten: Fördern durch fordern ja, fördern durch überfordern aber schadet.
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