Perfekt oder Praxis: Die Tücken moderner Führung

In einer Welt, die von immer höheren Ansprüchen geprägt ist, möchte ich heute eine Lanze für die Führungskräfte brechen. Ja, sie könnten besser kommunizieren, noch besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen und noch besser führen. Doch in einer Zeit, in der Mitarbeitende sich emanzipiert haben und der Arbeitsmarkt sich ändert, stehen Führungskräfte vor einer wahren Herausforderung.

Brezovar Right Path
ZZS

Waren früher Angestellte teils folgsame, auftragsausführende Personen, sind sie heute bestenfalls pflichtbewusste, positiv mitdenkende, eigenverantwortliche Mitarbeitende, schlechtestenfalls selbstüberschätzende, fordernde, selbstbezogene Widerstandskämpfer, die sich nichts sagen lassen.

Komplexe Arbeitswelt

Ein Blick in die Praxis von Zahnarzt Roland Rasend verdeutlicht die Komplexität der heutigen Arbeitswelt: Statt eines netten Morgengrusses jammert Mitarbeiterin Jenny über den Stau, der ihr den Tag verdorben hat. Sie postet ihre miese Laune Emoji-geladen im Gruppen-Chat. Praxismanagerin Anna klagt lautstark über die viele Arbeit, weil ihre Kollegin ausgefallen ist. Emire ist eingeschnappt wegen unbekannt. Marc schneidet ihn schon seit Tagen und bei Ramona häufen sich die Reklamationen. Silvan jammert wegen zu wenig Gehalt und Nicole nimmt sich die Freiheit von regelmässiger Unpünktlichkeit. Selma ist auffällig häufig krank. Regula ist kritikunfähig, dafür kritisiert Lara alles und jeden und sieht überall Dinge, die andere besser machen könnten, nur nicht sie selbst.

Vorbild-Führungskraft

Die Erwartungen an Führungskräfte sind enorm: Sie sollen nicht nur gute Arbeitsbedingungen schaffen, sondern auch gut zuhören, genug Zeit haben, auf Bedürfnisse eingehen, gut entlohnen und darüber hinaus noch flexibel, verständnisvoll und wertschätzend auf all die Mitarbeiterwünsche eingehen. Sie sollen gute Stimmung verbreiten und motivieren, ihre Emotionen im Griff haben und gleichzeitig auch das Unternehmen erfolgreich führen, damit die Löhne pünktlich auf dem Konto landen. Schlechte Tage dürfen sie nicht haben und Kritik äussern auch nicht, und wenn, dann nur mit psychologischem Geschick und Samthandschuhen. Ergo: Sie sollten die perfekte Vorbild-Führungskraft sein.

Vorbild-Mitarbeitende

Doch wer denkt an die Belastung, die diese Führungskräfte täglich tragen? Chef Roman Rasend hat es nicht leicht inmitten von wenig eigenverantwortlichen, emotional unreifen Persönlichkeiten. Er muss nicht nur sein Unternehmen lenken, sondern auch noch seine eigene Arbeit bewältigen. Führungskräfte sind die Superkräfte, die inmitten einer Welt von Selbstzentriertheit bestehen müssen.
Doch auch von den Mitarbeitenden wird viel verlangt: So wünscht sich Roland Rasend nicht nur Angestellte, die ihre Arbeit gut erledigen, sondern Menschen, die emotional gereift sind, die sich selbst reflektieren, die konstruktives Feedback annehmen und Veränderungen umsetzen, die interessiert, pflichtbewusst und intelligent sind und Neues lernen wollen, die Dankbarkeit zeigen und Eigenverantwortung übernehmen, die sich selbst um ihr Wohlbefinden kümmern, die für eine gute Beziehung zu ihrem Team und zum Vorgesetzen sorgen. Sie handeln nach dem Prinzip «zuerst geben, dann nehmen» und sind sich bewusst, dass sie mit ihrer wertschätzenden Kommunikation die Betriebsstimmung positiv beeinflussen. Ergo: Sie sollten die perfekten Vorbild-Mitarbeitenden sein.
Doch ist Perfektion eine Illusion. Reibungslose Zusammenarbeit ebenso. Wie Schulz von Thun sagte: «Wo Menschen schaffen, machen sie sich zu schaffen». Das ist ganz normal. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir alle Schwächen haben und wir uns auf unsere Stärken fokussieren sollten. Nur mit gegenseitiger Toleranz und Akzeptanz gelingt es, besser zu werden. Letztendlich sind wir alle Menschen, die ihr Bestes geben – mal mehr, mal weniger erfolgreich.

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