Potenzialentwicklung – ein hoffnungsloser Fall
Kennen Sie die Gewissheit, dass bei einem Mitarbeitenden kaum mehr Hoffnung auf bessere Leistung besteht? Sie haben schon alles Mögliche versucht, bisher ohne Erfolg. Ihr Nervenkostüm ist bereits strapaziert, Ihr Mitarbeiter spürt das. Er gibt sich Mühe – und hat Mühe. Sie sind ratlos.
So ratlos war auch die dreiköpfige Leitung der Gemeinschaftspraxis. Die ZahnärztInnen hatten schon länger Bedenken, wenn es um ihre Praxismanagerin ging. Andrea war schon seit 20 Jahren Teil des Teams und kümmerte sich nach bestem Wissen und Gewissen um das Praxisteam. Sie war persönlich sympathisch, allerdings auch sehr explosiv, wenn sie unter Stress stand – ergo häufig. Zudem hatte Andrea kein einfaches Team zu führen: Zwei langjährige Mitarbeiterinnen machten ihr das Leben schwer, komplexe Persönlichkeiten mit komplexen Lebenssituationen.
Die Geschäftsleitung musste immer wieder eingreifen, wenn die Emotionen wieder aus dem Ruder liefen. Andrea war nicht sehr durchsetzungsstark und nahm ihre Führungsverantwortung zu wenig wahr. Sie wich Konflikten aus, war launisch und so war es immer eine Weile ruhig, bis zur nächsten Explosion.
Verzwickte Situation
Auf meine Frage, wie lange dieser Zustand nun schon andauere, meinte die Geschäftsleitung, dass es grundsätzlich schon immer so war. Man hätte vor langer Zeit schon Konsequenzen ziehen müssen, dies habe man verpasst und nun seien alle schon zu lange da, um drastische Massnahmen rechtfertigen zu können. Die Praxismanagerin glaube, sie mache einen guten Job, die beiden Mitarbeiterinnen könne man kaum mehr ändern und eine Kündigung kurz vor der Pensionierung sei nicht vertretbar. Ernüchterndes Fazit: Leistung der drei Betroffenen ungenügend. Teamstimmung zunehmend schlechter. Führungsqualitäten von Andrea dürftig. Faktisch müsste man die Stellen neu besetzen. Praktisch sei dies aus ethischen Überlegungen sowie aufgrund des trockenen Arbeitsmarktes kaum möglich. Verzwickte Situation.
Ich wurde von der Geschäftsleitung beauftragt, mit Andrea ein Führungscoaching durchzuführen. Ich fragte, wie hoch sie die Wahrscheinlichkeit einschätzten, dass dies zum Erfolg führen würde. Ihre Einschätzung war frustrierend. Tenor: «Chancen kaum vorhanden, aber dann haben wir wenigstens etwas unternommen.»
Andrea kam motiviert, neugierig und auch etwas unsicher zum Coaching, das aus einem Wissensvermittlungs-Teil und einem praktischen Coaching-Teil bestand. Die Einführung in zeitgemässe Führungskompetenzen nahm sie mit grossem Interesse auf und war dankbar, mehr über praxisorientierte Führungsmechanismen zu lernen. Wir arbeiteten im Laufe eines Jahres an ihren Kommunikationsfähigkeiten, vor allem aber auch an ihrer Führungswirkung und ihrer Persönlichkeit, wie auch an konkreten Situationen aus der Praxis.
Überraschende Entwicklung
Bereits nach wenigen Sitzungen zeigte sich, dass Andrea über eine überraschend hohe Umsetzungskompetenz verfügte und alle Transferaufgaben erfolgreich durchführte. Sie hatte die Bereitschaft, neue Führungs-Skills auszuprobieren und hatte auch bei ihren schwierigen Teamkolleginnen Erfolg damit. Dies führte zu besseren Resultaten und die Stimmung im Team wurde produktiver. Andrea wuchs durch ihre Erfolgserlebnisse in ihrer Führungsrolle und entwickelte sich zunehmend zu einer kompetenten Führungspersönlichkeit.
Nicht alle Situationen entwickeln sich so optimal wie diese. In diesem Fall aber freuten sich alle Beteiligten über die positive Potenzialentwicklung. Heute braucht Andrea kaum noch Unterstützung und wir treffen uns nur noch bei Bedarf für eine situative Standortbestimmung. Sie ist dankbar, dass ihr Arbeitgeber ihr diese Chance ermöglicht hat. Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass es keine hoffnungslosen Fälle gibt. Nur Menschen mit Hoffnung, dass man sie nicht aufgibt.
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